Vor dem Hintergrund der jüngsten Ereignisse haben wir Ariel Bezalel und Harry Richards, Investmentmanager der Global Flexible Bond Strategie von Jupiter, nach ihren Einschätzungen zur Tragweite der Turbulenzen im Bankensektor und ihren Auswirkungen auf ihre Anlagestrategie gebeten. Luca Evangelisti, Head of Credit Research, hat sich ebenfalls an der Diskussion beteiligt und seine spezifischen Einblicke eingebracht: Er verantwortet die Kreditanalysen zu Finanzwerten und ist Investmentmanager unserer Contingent Capital Strategie. Dieser Beitrag wurde am 16. März 2023 verfasst.

In den 15 Jahren seit der globalen Finanzkrise haben Aufsichtsbehörden und Politik makroprudentielle Maßnahmen und engmaschige Regelwerke erlassen, um eine Wiederholung einer derartigen Destabilisierung des Finanzsystems zu verhindern. Und trotzdem haben wir wieder ein Bankenbeben. Wiederholt sich die Geschichte doch wieder?

Für die jüngsten Bankschieflagen in den USA und die Ansteckung der Credit Suisse gibt es viele Gründe, an erster Stelle ganz klar die extrem aggressive und schnelle Verschärfung der Finanzierungsbedingungen in den vergangenen zwölf Monaten.
Die schnelle Straffung der Geldpolitik hat das Unfallrisiko erhöht
Wir weisen bereits seit geraumer Zeit darauf hin, dass eine schnelle Straffung der Geldpolitik das Unfallrisiko erhöht. Das erste Beispiel war die letztjährige Krise am britischen Staatsanleihenmarkt. Mit ihrem entschlossenen Eingreifen gelang es der britischen Notenbank im Herbst zwar, die Märkte wieder zu stabilisieren. Die Turbulenzen waren jedoch ein deutlicher Hinweis auf den akuten Stress im System. Unserer Ansicht nach haben die jüngsten Entwicklungen bei der Silicon Valley Bank (SVB) und der Credit Suisse eine ähnliche Ursache.

Das Geschäftsmodell der SVB wies sehr spezifische strukturelle Schwächen auf, darunter eine hohe Kundenkonzentration, eine größtenteils unversicherte Einlagenbasis und ein nicht abgesichertes Zinsrisiko. Als die ersten Gerüchte über eine mögliche Schieflage der Bank aufkamen und die Kunden begannen, ihre Einlagen abzuziehen, musste die SVB hohe Verluste aus ihren Anleihebeständen realisieren, und es setzte ein Teufelskreis ein, der letztlich zum Zusammenbruch der Bank führte.

Obwohl die europäischen Banken unserer Ansicht nach nicht die gleichen Probleme haben und deutlich besser dastehen, kann die Belastung durch höhere Zinsen auch diesseits des Atlantiks Schwachstellen offenlegen – wie sich bei der Credit Suisse gezeigt hat. Wir hatten das Engagement unserer Anleihenportfolios in Credit Suisse bereits seit langem begrenzt gehalten. Grund dafür waren Governance-Bedenken, die unterdurchschnittliche Performance im Kerngeschäft und der schwierige anstehende Umbau der Bank.

Die Credit Suisse ist eine systemrelevante Bank, aber wenn die Vertrauensbasis schwindet, sind auch Finanzinstitute diesen Kalibers nicht vor Liquiditätsproblemen gefeit. Noch lässt sich schwer sagen, wie es in Bezug auf diese kurzfristigen Bankprobleme weitergehen wird. Was wir sagen können, ist, dass die Zentralbanken aus den Ereignissen von 2008 gelernt haben, über ein wirkungsvolles Instrumentarium verfügen und in den USA und der Schweiz bereits eingegriffen haben.
Ein starkes Warnsignal
Im Gesamtkontext betrachtet ist das jüngste Bankenbeben für uns ein ganz eindeutiges Warnsignal. So schnell wie in den vergangenen zwölf Monaten hat die US-Notenbank (Fed) die Finanzkonditionen noch nie verschärft. Bis eine derartige Straffung der Geldpolitik ihre volle Wirkung entfaltet, vergehen in der Regel zwölf bis 18 Monate. Letztlich wollen die Zentralbanken so die Inflation in den Griff bekommen. Die Erfahrung der Vergangenheit zeigt jedoch, dass die Notenbanken dazu neigen, zu aggressiv vorzugehen. Entsprechend hoch ist das Risiko weiterer ‚Unfälle‘, ob im Bankensektor oder anderswo. Mit einer globalen Verschuldung von inzwischen 300 Billionen US-Dollar ist die Weltwirtschaft extrem anfällig für die Auswirkungen langfristig höherer Zinsen.

Wir glauben, dass die jüngsten Bankenprobleme zu einer weiteren Verschärfung der Finanzkonditionen führen werden, da sie Auswirkungen auf die Kreditversorgung der Wirtschaft haben werden. Regionalbanken werden eine Einlagenflucht fürchten, wenn ihre Kunden impulsiv reagieren, Gelder abziehen und lieber bei einer der großen, systemrelevanten Banken anlegen – warum auch sollten sie das Risiko eingehen, von der nächsten Bankschieflage betroffen zu sein?

Die Sorgen über eine mögliche Einlagenflucht könnte diese kleineren Banken dazu veranlassen, höhere Sparzinsen zu bieten, was ihre Profitabilität reduzieren würde und letztlich höhere Kreditzinsen zur Folge hätte. Angesichts der erkennbaren Anzeichen von Stress im Finanzsektor könnten die Banken weniger gewillt sein, ihre Bilanzen auszuweiten. In den USA und Europa haben sich die Kreditkonditionen bereits deutlich verschärft und der Zusammenhang mit der Arbeitslosigkeit ist klar. Unserer Ansicht nach führen diese Entwicklungen zu einem deutlich größeren Risiko einer Kreditklemme, was im Einklang mit unserer These einer ‚harten Landung‘ stünde, die wir an dieser Stelle bereits häufig erläutert haben.
Lending standard surveys vs unemployment - Eurozone
Lending standard surveys vs unemployment - US

Quelle: Bloomberg, Stand: 31.01.23.

In den USA sind die monatlichen Inflationszahlen immer noch sehr hoch, aber Basiseffekte dürften in den kommenden Monaten zu niedrigeren Jahresraten führen. Das sollte der Fed eine Atempause verschaffen. Eine schwächere Kreditvergabe würde helfen, die Inflation einzudämmen, und sich letztlich auch in den Beschäftigungsdaten niederschlagen. Die Wohnkostenkomponente des Verbraucherpreisindex (VPI), die mitverantwortlich für die hohe Kerninflation in den vergangenen Monaten war, wird allmählich wieder zum Trend zurückkehren, wie die Echtzeitentwicklung am Mietwohnmarkt zeigt.

Die aus Sicht der Anleiheninvestoren positive Nachricht der vergangenen Woche war, dass die negative Korrelation zwischen den Renditen von Staatsanleihen der Industrieländer und den Credit Spreads wieder deutlich zugenommen hat. Wenn sich das gesamtwirtschaftliche Umfeld weiter abschwächt, könnten Staatsanleihen eine gute Diversifikation gegenüber Kreditanlagen bieten. Falls sich die Lage hingegen stabilisiert und sich die Märkte „durchwursteln“, würde sich angesichts der höheren Spreads ein weiterhin gutes Umfeld für Carry-Strategien bieten.

Wir halten die an den Anleihenmärkten verfügbaren All-in-Yields auf dem aktuellen Niveau weiterhin für äußerst attraktiv. Durch die wirtschaftlichen Auswirkungen der geldpolitischen Straffung und die Aussicht auf den lange erwarteten Kurswechsel der Zentralbanken dürften die Renditen sinken, und weitere Anzeichen von Stress im Bankensektor oder in der Gesamtwirtschaft können die Renditen noch deutlich tiefer drücken.

Insgesamt glauben wir, dass eine diversifizierte Anleihenallokation mit Positionen in bonitätsstarken Staatsanleihen und sorgfältig ausgewählten Unternehmensanleihen Anlegern helfen kann, erfolgreich durch dieses unsichere Marktumfeld zu navigieren und bei einer kontrollierten Volatilität potenziell hohe Renditen zu erzielen.
The Value of Active Minds – unabhängige Denkansätze
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*In Hongkong bezieht sich der Begriff „professionelle Anleger“ auf die Definition der Securities and Futures Ordinance (Kap. 571 der Gesetze von Hongkong) und in Singapur auf „institutionelle Anleger“ gemäß der Definition in Abschnitt 304 des Securities and Futures Act, Kapitel 289 von Singapur.