Die Eindämmung der anhaltend hohen Inflation erweist sich als Herkulesaufgabe für die Zentralbanken. Das wiederum macht es extrem schwer für Anleger, die Richtung der Anleihenmärkte zu erkennen. Anders als in anderen Anlageklassen hat die Volatilität bei Anleihen in diesem Jahr zudem kaum nachgelassen.

Die Anleihenmärkte waren optimistisch ins Jahr 2023 gestartet, da erwartet wurde, dass ein schwächeres Wachstum und ein dadurch abnehmender Inflationsdruck die Zentralbanken in die Lage versetzen würde, von ihrem aggressiven politischen Kurs abzurücken. Nachdem die US-Wirtschaftsdaten zunächst stark blieben, gelangten die Märkte jedoch erst mit der Insolvenz der Silicon Valley Bank zu der Überzeugung, dass der Zinshöchststand in den USA bald erreicht sein würde.

Diese Erwartungen durchkreuzte dann allerdings die anhaltend hohe, in einem Ungleichgewicht von Angebot und Nachfrage begründete Kerninflation. Der PCE Deflator, der bevorzugte Inflationsindikator der Federal Reserve, ist immer noch mehr als doppelt so hoch wie das Inflationsziel der US-Notenbank. Die während der Pandemie aufgetretenen Lieferkettenengpässe und die geopolitischen Verwerfungen zwingen die Regierungen dazu, ihre Abhängigkeit von der Form der Globalisierung, wie wir sie in den vergangenen drei Jahrzehnten erlebt haben, zu überdenken. Das könnte zu Effizienzverlusten und höheren Kosten führen. Die Schwelle für die Erzeugung von Inflation ist nun niedriger, da schon ein geringer Anstieg der Nachfrage inflationär wirkt.
Enge Arbeitsmärkte
Die angespannte Lage auf den Arbeitsmärkten hat das Problem noch verschärft, da der Anstieg der Gehälter zum Ausgleich der Inflation den Preisdruck weiter erhöht hat. In den USA zeigen die durchschnittlichen Stundenlöhne und die Arbeitslosenrate erste Anzeichen einer Abschwächung. Die Gesamtzahlen für die Beschäftigung außerhalb der Landwirtschaft haben jedoch 14 Monate in Folge positiv überrascht. Große Technologie- und Finanzunternehmen haben zwar Stellenkürzungen angekündigt, sind jedoch nicht repräsentativ für den Puls der Gesamtwirtschaft.

Obwohl die Fed die Zinsen seit März 2022 um ganze 5 Prozentpunkte erhöht hat, halten sich die Volkswirtschaften relativ gut. Angesichts der robusten Verfassung der Wirtschaft glauben wir, dass die erwartete Lockerung der Zinsen erst im nächsten Jahr kommen wird. Da es bislang nicht zu weitreichenden Arbeitsplatzverlusten gekommen ist, haben die Verbraucher trotz gesunkener verfügbarer Einkommen noch keine Schwierigkeiten, ihre täglichen Ausgaben zu decken oder ihre Hypothekenzinsen zu zahlen. Während die Inflation das Tempo der Zinserhöhungen zu diktieren schien, ist der Arbeitsmarkt jetzt ein entscheidender Faktor für die Höhe des Endzinses.

Tatsächlich ist der Arbeitsmarkt der unserer Ansicht nach alles entscheidende Faktor. Hier wird sich entscheiden, wie der aktuelle Zinserhöhungszyklus endet, da Faktoren wie das Lohnwachstum, die Inflation, die Hauspreise und die wirtschaftliche Gesamtnachfrage alle mit dem Arbeitsmarkt zusammenhängen. Angesichts des starken Arbeitsmarktes sind wir daher auch unsicher, in welche Richtung sich die Anleihenmärkte der Industrieländer bewegen werden. Falls sich der jüngste Anstieg der Erstanträge auf Arbeitslosenunterstützung in den USA fortsetzen sollte, würde die US-Duration jedoch plötzlich sehr attraktiv erscheinen.
Zinspause ohne Zinswende
Nach zehn aufeinanderfolgenden Zinserhöhungen seit März 2022 hat die Fed den Leitzins im Juni erstmals nicht weiter angehoben, allerdings angedeutet, dass die Zinsen durchaus noch weiter gestrafft werden könnten. Die US-Notenbank beobachtet jetzt erst einmal die verzögerten Auswirkungen ihrer bisherigen Zinserhöhungen sowie die Entwicklung der Konjunkturdaten und Turbulenzen im Bankensektor. Die Fed hat signalisiert, dass zwei weitere Zinserhöhungen denkbar sind. Andere Notenbanken wie die Europäische Zentralbank (EZB) und die Bank of England (BOE) haben die Zinsen ebenfalls aggressiv gestrafft, um die hohe Inflation in den Griff zu bekommen.

Die Zentralbanken scheinen jetzt erst einmal eine Pause einlegen zu wollen, um sich ein Bild der Ergebnisse ihrer bisherigen Maßnahmen zu machen. Die Botschaften von Fed, BOE und EBZ sind diesbezüglich einheitlich. Alle haben bestätigt, dass sie ihren Endzins erreicht oder fast erreicht haben. Der Endzins bezeichnet das Zinsniveau, das als ausreichend restriktiv erachtet wird, um abzuwarten, wie sich die Inflation verhält. Größere Sorgen machen den Zentralbanken, wenn überhaupt, die Markterwartungen an Zinssenkungen – daher auch die wiederholten Hinweise, dass die Zinsen länger hoch bleiben könnten.
Höchste Volatilität am vorderen Ende der Kurve
Das beispiellose Tempo der Zinserhöhungen hat zu einer erheblichen Volatilität am vorderen Ende der Zinskurve geführt. Die Rendite der zweijährigen US-Staatsanleihe ist seit letztem März um über 300 Basispunkte auf 4,7 Prozent gestiegen. Durch die Bankschieflagen in den USA im März kam es zwar zu einem kurzzeitigen Rückgang der Renditen. Inzwischen sind diese aber wieder gestiegen. Wie die Abflachung der Renditekurven und die eingepreisten Inflationserwartungen zeigen, scheinen die Märkte davon überzeugt zu sein, dass die bisherige Zinsstraffung ausreichen wird. Die weitere Richtung der Zinsen hängt jetzt jedoch von den Arbeitsmarktdaten ab, vor allem in den USA.

In diesem Umfeld ist eine sehr aktive Positionierung schwierig, da der Pfad zu einer letztlichen Zinssenkung nicht linear verlaufen könnte. Das optimale Szenario eines schwächeren Wachstums, das die Inflation eindämmt und erste Zinssenkungen noch in diesem Jahr ermöglicht, scheint jetzt in deutlich weiterer Ferne zu liegen als noch vor einigen Monaten gedacht. Bis die Inflation auf ein akzeptables Niveau zurückgeht, werden die Zinsen erhöht bleiben. In diesem Umfeld bleibt die Positionierung ein Drahtseilakt, wobei eine kurze Duration und hohe Flexibilität helfen können, kurzfristige Herausforderungen zu bewältigen.
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