Bleibt die Inflation? 

Ariel Bezalel, Investmentmanager, Fixed Income: Konjunkturzyklen enden nicht von alleine, sondern in der Regel dann, wenn die US-Notenbank (Fed) ihnen eine Kugel verpasst. Meiner Ansicht nach steht die Fed kurz davor, diesem Zyklus gleich mehrere Kugeln zu verpassen. Der Fed-Vorsitzende Jerome Powell ist entschlossen, die Inflation in den Griff zu bekommen. Den Fehler von Arthur Burns (Fed-Chef 1970-78), der den Fuß zu früh von der Bremse nahm und dadurch zuließ, dass die Inflation erneut außer Kontrolle geriet, will er tunlichst vermeiden.
Wir machen uns Sorgen über die Lage an den globalen Wohnimmobilienmärkten und vor allem in China. In China hat sich das Wachstum unseres Erachtens dauerhaft verlangsamt. China hat eine enorme Kredit- und Häusermarktblase. Die Nachfrage nach Wohnraum wird zurückgehen, die chinesische Regierung steckt in der Klemme, und das hat Auswirkungen auf das weltweite Wachstum. Auch in anderen Ländern wie Australien, Neuseeland und den USA gibt es Immobilienblasen, aus denen zunehmend Luft entweicht, weil die Zinsen steigen.
Aus diesen Gründen meinen wir, dass wir uns auf eine harte Landung der Wirtschaft gefasst machen müssen. Betrachtet man die Daten von über 100 Jahren, so haben Rezessionen die Inflation im Durchschnitt um fast 7% sinken lassen. Wir gehen davon aus, dass die Inflation in den nächsten zwölf Monaten rasch zurückgehen wird, wenn die US-Wirtschaft in eine schwere Rezession abgleitet. Ich glaube, dass die Märkte dies größtenteils noch nicht eingepreist haben.

 

Hilary Blandy, Investmentmanagerin, Fixed Income: Der Markt hat die Inflation in diesem Jahr durchweg unterschätzt. Ich sehe hier mehrere Risiken. Das erste ist die Diskrepanz zwischen dem, was man auf dem Bildschirm sieht, und dem, was man im Alltag hört. Die Preise mögen ihren Höchststand bereits erreicht haben, liegen aber immer noch deutlich über dem vorpandemischen Niveau. Die Unternehmen, mit denen wir sprechen, sagen uns, dass sie ihre Preise erhöhen und das auch weiter tun werden. Außerdem ist der Arbeitsmarkt in den USA, Europa und Großbritannien unglaublich stark. Das hat zu einem hohen Lohnwachstum geführt. Letztlich wird das Lohnwachstum die Inflation befeuern. Ohne einen Rückgang des Lohnwachstums wird es daher schwierig werden, die Teuerung zu senken. Angesichts der extrem starken und angespannten Arbeitsmärkte könnte es länger dauern, bis das Lohnwachstum wieder auf das von den Zentralbanken geforderte Niveau von 2% fällt.

 

Alejandro Arevalo, Investmentmanager, Fixed Income – EMD: Interessant ist in diesem Zyklus, dass einige Zentralbanken in den Schwellenländern bereits lange vor der Fed mit der Straffung der Zinsen begonnen haben. Sie haben versucht, einen Schritt voraus zu bleiben. In Lateinamerika ist die Geldpolitik sehr aggressiv gestrafft worden. Dadurch gibt es hier einige Länder mit positiven Realzinsen. Brasilien und Mexiko haben das Ende des Zinsstraffungszyklus erreicht oder stehen kurz davor.

 

Luca Evangelisti, Head of Credit Research und Investmentmanager, Fixed Income: Steigende Zinsen sind das, worauf die Banken gewartet haben. Einerseits sorgen höhere Margen für steigende Erträge, andererseits könnte das Anlagerisiko der Banken dadurch in den kommenden Quartalen zunehmen. Allerdings ist die Qualität der Bankbilanzen in Europa aktuell so gut wie fast nie zuvor. Die Banken haben den Schuldenabbau seit der globalen Finanzkrise vorangetrieben und sich von notleidenden Krediten getrennt. In den vergangenen fünf Jahren sind die notleidenden Kredite der europäischen Banken von 4,5% des gesamten Kreditvolumens auf unter 2% gesunken. Nach mehreren Jahren der gelpolitischen Lockerung und Nullzinspolitik ist es für Unternehmen viel billiger geworden, sich über die Anleihenmärkte zu finanzieren als über Banken. Infolgedessen hat sich das Risiko vom Bankensektor auf die Kreditmärkte verlagert. Dadurch sind die Banken grundsätzlich in der Lage, potenzielle Schocks aufzufangen.

Anleihenanlagen in einer Phase steigender Renditen 

Ariel Bezalel: Nach mehreren langweiligen Jahren sind die Anleihenmärkte aktuell so interessant wie seit Längerem nicht mehr. Da wir davon ausgehen, dass wir kurz vor einer schweren Rezession stehen, erwarten wir, dass die Renditen von Staatsanleihen – zum Beispiel von US-Treasuries – in den nächsten Monaten wieder nachgeben werden. Bei Unternehmensanleihen rechnen wir mit einigen sehr attraktiven Anlagemöglichkeiten, vor allem am unteren Ende des Investment-Grade-Segments, im BBB-Bereich. Aktuell sind Anleihen von hochwertigen Unternehmen zu einem Spread zu haben, der ein recht rezessionäres Umfeld eingepreist hat. Im High-Yield-Bereich (BB) kann man in defensiven Sektoren wie Telekommunikation und der Kabelindustrie 6-, 7- oder 8-jährige Papiere mit einer Rendite von 7-8% erhalten, die durch Vermögenswerte gedeckt sind. Sollten sich unsere Ansichten ändern und wir zu dem Schluss kommen, dass die Inflation längerfristig stärker schwanken wird, hätten wir die richtigen Instrumente, um damit umzugehen. Mithilfe von Derivaten können wir die Duration verkürzen, wenn wir dies für notwendig halten. Das haben wir in der Vergangenheit durchaus gemacht.

Bewertung von Schwellenländeranleihen, CoCos und Kreditanlagen im historischen Vergleich 

Alejandro Arevalo: Das letzte Mal, dass die Bewertungen in den Emerging Markets (EM) so niedrig waren wie jetzt, war Ende 2015 und 2016, als der Ölpreis bei 30 Dollar je Barrel lag. Für langfristig orientierte Anleger führt an dieser Anlageklasse fast kein Weg vorbei. Es besteht eine Diskrepanz zwischen den Bewertungen und den Fundamentaldaten. Das Market-Timing ist sehr schwierig. Ich halte es für sinnvoll, sich die Renditen und die Diskrepanzen zwischen der Bewertung und den Fundamentaldaten genauer anzusehen, da sich diese für Anleger langfristig auszahlen. Wenn wir die Sharpe Ratio betrachten, die die Rendite ins Verhältnis zur Volatilität setzt, haben Unternehmensanleihen in der EM-Anlageklasse in den vergangenen zehn Jahren die höchste Überrendite verzeichnet. Selbst im zuletzt sehr volatilen Umfeld haben sie weiter überdurchschnittlich performt. Einige Unternehmen werden dafür abgestraft, dass sie in einem sehr schwierigen Makroumfeld tätig sind. Diese Unternehmen sind zum Teil sehr breit aufgestellt und erzielen oft einen Großteil ihrer Einnahmen außerhalb ihres Heimatlandes. Das kann Ihnen als Anleger die Prämie bieten, mit der Sie für dieses Risiko bezahlt werden. Ich halte dies für eine potenziell gute Alphaquelle.

 

Luca Evangelisti: CoCos (bedingte Pflichtwandelanleihen) sind in diesem Jahr ungerechtfertigt abgestraft worden. Mit einem Minus von rund 18% seit Jahresanfang hat der Index einen seiner bisher höchsten Wertverluste verzeichnet. Zu Unrecht, denn wie ich bereits sagte, ist die Verfassung und Qualität des Bankensektors so gut wie nie zuvor. Aus historischer Sicht liegt die Rendite von CoCos bei rund 10%. Das ist die höchste Rendite, die wir in dieser Anlageklasse jemals gesehen haben. Die Spreads liegen bei etwa 540 Basispunkten, was nur mit dem Stand von Anfang 2016 vergleichbar ist. Allerdings war das Zinsumfeld damals ein ganz anderes und die Banken befanden sich in einer schlechteren Verfassung. Daher ist der Sektor aktuell sehr günstig. Hätte man im Jahr 2016 investiert, als die Renditen auf einem ähnlichen Niveau wie heute lagen, hätte der Sektor in den folgenden zwei Jahren eine Rendite von fast 30% erzielt.

 

Hilary Blandy: Die Rendite der Monthly Income Strategie liegt bei rund 7% und ist damit fast doppelt so hoch wie vor einem Jahr – und das bei einem besseren Kreditprofil. Vor dem Hintergrund der steigenden Renditen haben wir uns im Kreditspektrum nach oben bewegt und die Strategie enthält jetzt weniger Hochzinsanleihen als vor einem Jahr. In den vergangenen Monaten habe ich attraktive Anlagegelegenheiten bei Investment-Grade-Anleihen mit kurzen Laufzeiten gesehen. Ich habe Blue-Chip-Titel mit einem geringen Durationsrisiko und einem aktuell unglaublich niedrigen Ausfallrisiko gekauft. Selbst bei Anlagen mit längerer Duration sind die Renditen zehnjähriger britischer Staatsanleihen (Gilts) aktuell vier Mal so hoch wie noch vor einem Jahr. Wer jetzt in den Markt einsteigt, erhält in allen Segmenten der Anleihenmärkte viel höhere Renditen, und das ist ein gutes Polster gegen kurzfristige Abwärtsrisiken. Auf längere Sicht bietet sich dadurch Potenzial für zweistellige Gesamtrenditen, wenn die Zinsen oder Spreads wieder auf ihre historischen Durchschnittswerte zurückkehren. 

Ausblick für die Anleihenmärkte in den nächsten 6-8 Monaten  

Ariel Bezalel: Bei Kreditanlagen ist Selektivität entscheidend. Außerdem sollten kurzlaufende Anleihen zum derzeitigen Zeitpunkt einen wesentlichen Anteil Ihres Credit-Portfolios ausmachen. Darüber hinaus kaufen wir vorrangig besicherte Anleihen, hinter denen Sicherheiten – in der Regel Sachwerte wie Kabelnetze, Telekommunikationsnetze oder Immobilien – stehen, die den Wert der Anleihe stützen. Außerdem bevorzugen wir angesichts des trüben makroökonomischen Ausblicks defensivere Sektoren. Schließlich konzentrieren wir uns auf die Inflation, wobei wir uns darüber bewusst sind, dass es in den letzten 18 Monaten weltweit etwa 300 Zinserhöhungen gegeben hat. Die Geldpolitik wird sehr stark gestrafft, daher glaube ich, dass sich die Weltwirtschaft massiv abschwächen wird. Wir sind der Meinung, dass Staatsanleihen allmählich interessant werden, insbesondere am langen Ende der Zinskurve.  

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