(Noch) keine Angst vor Blasenbildung!
Wie lange kann diese Rally anhalten? Wann ist es Zeit zu verkaufen? Talib Sheikh analysiert die Fundamentalindikatoren, die nach wie vor auf eine positive Konjunkturdynamik hindeuten. Aber nichts hält ewig. Könnte im Sommer der Wendepunkt kommen?
Wie lange kann diese Rally anhalten? Impfstoffe, reichlich Liquidität und eine positive Entwicklung der Kennzahlen bieten Nährboden für Optimismus. Beim Blick in das Tal, aus dem die Märkte emporgeklettert sind, kann einen jedoch durchaus der Schwindel ergreifen. Viele Anleger waren nicht engagiert und haben Gelegenheiten verpasst – zum jetzigen Zeitpunkt fällt der Kauf schwer. Wir vertreten die Ansicht, dass die Märkte noch nicht überkauft sind, dass Bewertungen nur wenig Aufschluss über die kurzfristige Performance geben und dass es, bei einem Ausbleiben externer Schocks, noch Spielraum gibt … noch.
Nach einer solchen Rally lautet die zentrale Frage, die Anleger sich stellen: Wann ist der richtige Zeitpunkt zum Verkaufen? Anleger, die untergewichtet in Risikoanlagen waren oder nicht rechtzeitig zyklischere Anlagen erworben haben, um von dem Umschwung zu profitieren, den wir Ende letzten Jahres beobachten konnten, fragen sich, ob sie jetzt investieren können. Wie kann ein aktives Multi-Asset-Anlageportfolio an diese Herausforderung angepasst werden?
Die erste Frage lautet, welche entscheidenden Kräfte die Rally antreiben und ob sie ihre Schwungkraft beibehalten werden. Mein Team analysiert anhand eines auf vier Säulen basierenden Rahmenwerks makroökonomische Faktoren, die auf Konjunkturdaten, die Geld- und Fiskalpolitik, die Anlegerstimmung und die Bewertungen wirken. Unsere grundlegende Einschätzung zum Beginn dieses Jahres ist, dass die Rally kurzfristig aufrechterhalten werden kann, doch wir behalten die Entwicklung genau im Auge.
Die Fundamentalindikatoren deuten nach wie vor auf eine positive Konjunkturdynamik hin. In den USA sind Verbraucherdaten wie Arbeitsmarktzahlen, Kreditkartenausgaben und Mobilitätsdaten trotz der Zunahme der COVID-19-Infektionen weiter stabil. Die Unternehmensbefragungen liefern ein optimistisches Bild. Der Produktionssektor profitiert von niedrigen Lagerbeständen nach der Krise im Jahr 2020, die derzeit zu einem hohen Produktionsniveau führen. Auf kurze Sicht gibt es Bedenken, dass ein Anstieg der Infektionszahlen Präsident Biden oder Bundeskanzlerin Merkel zu strengeren Lockdowns veranlassen könnte, die mittelfristige Entwicklung erscheint jedoch robust.
Die starken Fundamentaldaten werden durch eine extrem lockere Geld- und Fiskalpolitik unterstützt. Wie wir an anderer Stelle bereits ausführlicher dargelegt haben , stellen die Ergebnisse, zu denen die US-Notenbank Fed bei der Überprüfung ihrer Politik im vergangenen Jahr kam, die wichtigste Veränderung im Zentralbankwesen seit den 1970er-Jahren dar. Die Fed und andere Akteure werden künftig keine aggressiven Vorsichtsmaßnahmen gegen die Inflation mehr vornehmen, um die finanziellen Rahmenbedingungen abzustecken, sondern die Konjunktur stattdessen „heißer laufen lassen“, bis eine Inflation nachgewiesen wird. Unserer Auffassung nach bedeutet dies, dass die lockere Geldpolitik 2021 weitgehend oder sogar für das Gesamtjahr bestehen bleibt und Mutmaßungen über eine baldige Straffung verfrüht sind.
Zudem hat Präsident Biden bereits seine Absicht bekannt gegeben, ein enormes Konjunkturpaket zu verabschieden. Auch wenn seine ambitionierten Pläne durch die Mühlen des politischen Prozesses der USA verwässert werden dürften, wird das letztlich verabschiedete Paket einen bedeutenden Einfluss haben. Auf anderer Ebene herrscht Einigkeit darüber, dass der Sparkurs nach der globalen Finanzkrise ein Fehler war, weshalb weiter eine hohe Bereitschaft für öffentliche Ausgaben besteht. Entscheidend für die Anleger ist die Frage, welches Finanzministerium die Konjunkturanreize voraussichtlich zuerst einstellen wird, und was dies für die regionalen Allokationsentscheidungen bedeutet.
Mit Blick auf unsere anderen zwei Säulen verrät unser Research uns, dass die Bewertungen bei der Prognose kurzfristiger Renditen nicht hilfreich sind und daher zu diesem Zeitpunkt eine geringere Rolle spielen. Es ist die Marktstimmung, in die wir wohl derzeit den Löwenanteil unserer Zeit investieren, um nach Anzeichen für eine Blasenbildung zu suchen. Wir nutzen verschiedene Frühindikatoren, um die Positionierung der Anleger aufzuzeigen. Unsere aktuelle Einschätzung lautet wie folgt: Sicherlich sind die Anleger in den letzten Monaten optimistischer geworden, doch die Stimmung hat noch nicht den Punkt erreicht, an dem sich bei uns übermäßige Besorgnis regen würde. Obwohl die Marktvolatilität stark abgenommen hat, liegt der VIX Index noch knapp zehn Punkte über seinem Vorjahresstand zu diesem Zeitpunkt , und Kapitalschutz ist nach wie vor ungewöhnlich teuer, was auf eine gewisse Vorsicht der Anleger hindeutet.
Wir schließen daraus, dass die Marktklimawerte zwar Anlass zu zunehmender Sorge geben, gehen aber vorbehaltlich eines Ausbleibens externer Schocks davon aus, dass diese Rally noch Spielraum hat und der Zeitpunkt, um nach dem Notausgang zu suchen, noch nicht gekommen ist. Sicher ist es immer schwierig, Vorhersagen über die Lage in sechs Monaten zu treffen, doch wir gehen davon aus, dass die Rally etwa zur Jahresmitte hin auslaufen dürfte. Das Wirtschaftswachstum befindet sich nach der Krisenphase noch immer auf Erholungskurs, und die Wachstumsdynamik wird sich natürlicherweise abschwächen, je mehr wir uns dem dritten Quartal nähern. Nach der Verabschiedung eines umfassenden Konjunkturpakets wird sich die Regierung unter Joe Biden um den Ausgleich des Haushalts kümmern und Steuererhöhungen – in den USA wie auch anderorts – sind wahrscheinlich. Parallel dazu dürfte die Fed verstärkt Signale über eine Reduzierung der lockeren Geldpolitik senden, voraussichtlich in Form einer Verringerung der Anleihenkäufe im Jahr 2022 statt einer Zinserhöhung.
Die Rally kann nicht ewig weitergehen, dürfte ihren Schwung aber noch eine Weile beibehalten.
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