Diversification is not dead
Eine breite Risikostreuung ist wichtiger denn je – von Fondsmanagern aber aktuell nur mit großen Anstrengungen zu erreichen, meinen Talib Sheikh, Mark Richards und Matthew Morgan.

Sie beruhen allerdings auf mehreren Fehlannahmen. Eine Risikostreuung nur über Anleihen war noch nie eine gute Idee – ein Portfolio, das zwei Anlageklassen enthält, ist noch kein ‚Multi-Asset‘-Portfolio. Echte Multi-Asset-Ansätze haben schon immer ein sehr viel breiteres Instrumentarium genutzt, um das Risiko zu streuen und besser zu steuern. Ob ein auskömmlicher Gesamtertrag oder stabile regelmäßige Erträge bei einem vernünftigen Risiko im Fokus stehen – flexible Multi-Asset-Strategien können aus einer Fülle von Optionen schöpfen.
Angesichts der Tatsache, dass die Zinsen auf dem tiefsten Stand seit 5.000 Jahren1 liegen, sind die attraktiven risikobereinigten Renditen, die Anleger in den letzten Jahrzehnten mit Anleihen erzielen konnten, aktuell nicht mehr realisierbar. Bislang waren die Kapitalverluste aus bonitätsstarken Anleihen von kurzer Dauer. Das könnte sich aber ändern.
Wichtig ist ein dynamisches Portfolio, das seine Vermögensaufteilung im Verlauf des Konjunkturzyklus wiederholt anpassen kann. Durch einen disziplinierten Makroprozess lassen sich die risikobereinigten Renditen wesentlich verbessern, indem Anlagewerte, die in der jeweiligen Zyklusphase gut abschneiden, höher gewichtet werden und diejenigen, die tendenziell schlechter abschneiden, reduziert werden. Investoren, die Korrelationsrisiken und die Diversifikation im Blick behalten, können schmerzhafte Wertverluste aus Aktien vermeiden. Entscheidend ist die Fähigkeit, schnell zu handeln.
Bei der Diversifikation geht es nicht nur um eine Absicherung gegen Wertverluste. Börsennotierte Aktienoptionen können auch eine taktische Partizipation an Kursgewinnen ermöglichen. Im Jahr 2020 waren Growth-Werte und Technologieaktien ein gutes Investment, aber im Herbst hätte man bei ausschließlicher Konzentration auf diese Titel hohe Kursgewinne aus Indizes mit Value-Schwerpunkt verpasst. Dagegen konnte ein Multi-Asset-Portfolio mit günstigen taktischen Optionen auf einen Markt mit Value-Schwerpunkt wie Japan neben hochwertigen Growth-Aktien von einer deutlich Faktorrotation profitiert.
Relative-Value-Strategien können ein besserer Ansatz als rein direktionale Anlagen sein, um Renditen bei einem deutlich reduzierten Risiko zu erzielen. In den ersten zehn Monaten des Jahres 2020 zum Beispiel performten US-Aktien um 17% besser als europäische Aktien. Mit einer Long-Position in US-Aktien und einer Short-Position in europäischen Aktien hätte man bei einem vergleichsweise geringen Risiko gutes Geld verdienen können: Die Short-Position auf europäische Aktien hätten einen Großteil des Risikos aus der Long-Position in US-Aktien aufgehoben.
In jüngster Zeit aber sind die langfristigen Wachstums- und Inflationserwartungen gesunken. Dadurch haben höherwertige Growth-Aktien erheblich besser performt als Value-Aktien geringerer Qualität mit ihrer größeren Zinssensitivität – besonders deutlich hat sich das in der Outperformance der großen Tech-Werte (‚FAANGs‘) gezeigt.
Multi-Asset-Portfolios, die auf die richtigen Marktsegmente gesetzt haben, haben besser performt als Portfolios, die passiv den breiten Markt abgebildet haben. Die aktive Aktienselektion ist entscheidend für den Anlageerfolg. Investoren sollten also auf maßgeschneiderte ‚Aktienkörbe‘ setzen: Ein Investment in eine kleinere Auswahl von Aktien, die man für wirklich attraktiv hält, ist effizienter, als den Markt als Ganzes zu kaufen.
Dieser Ansatz ist nicht nur für Aktien der richtige. Auch bei Anleiheninvestments ist es effektiver, ein konzentriertes Portfolio attraktiver Anleihen aufzubauen, die man umfassend analysiert und deren Kreditprofil man wirklich versteht, als den gesamten Kreditmarkt abzubilden. Auf diese Weise kann ein Fondsmanager das Risiko-Rendite-Profil auf die Bedürfnisse von Portfolios und Investoren zuschneiden.
Das Währungsexposure ist ein fester Bestandteil von Portfolios. In einem andauernden Niedrigzinsumfeld sind Währungen zunehmend das ‚Ablassventil‘ für makroökonomische Divergenzen. Währungspositionen erhöhen die Flexibilität eines Portfolios und können das Ertragspotenzial oder die Diversifikation verbessern – je nachdem, ob in ‚Sichere Hafen‘-Währungen wie japanische Yen investiert wird, um das Portfolio zu diversifizieren, oder auf höher verzinsliche Schwellenländerwährungen gesetzt wird, um von Carry-Effekten zu profitieren. Rohstoffe können ebenfalls als Diversifikator dienen: Gold ist bekannt, aber auch Silber, Kupfer und sogar Agrarrohstoffe können eine Rolle spielen.
Schließlich ist es wichtig, offen für neue Ideen zu bleiben, weil immer wieder innovative Finanzprodukte an den Markt kommen. Futures auf den VIX – den sogenannten „Angst-Index“ – gibt es schon lange. Sie werden an der Börse gehandelt, sind liquide und bieten eine gute Möglichkeit, um in turbulenten Märkten Renditen zu generieren. In Verbindung mit traditionelleren Instrumenten der Verlustabsicherung wie Aktienversicherungen über Put-Optionen oder dem einfachen Shorten von Aktien-Futures sind sie ein weiterer nützlicher Hebel zur Risikominderung.

2 Ein heiß diskutiertes Thema: siehe