Sollten wir uns Sorgen über einen Anstieg der Inflation machen?

Einige Marktteilnehmer fürchten eine Rückkehr der Inflation. Sie sehen die gigantischen staatlichen Rettungspakete zur Bekämpfung der Pandemie, sie wissen, dass die großen Notenbanken immer noch jede Menge ‚Geld drucken‘ und sie sehen, dass sich Gold – das traditionell zur Inflationsabsicherung genutzt wird – stark verteuert hat.

 

Statt mit Inflation dürften viele Industrieländer aber weiter mit einer hartnäckigen Wachstumsschwäche zu kämpfen haben. Warum? In den vergangenen Jahrzehnten hat sich das Wirtschaftswachstum verlangsamt – und selbst dieses Wachstum wurde mit Stimulusmaßnahmen erkauft, die durch eine immer höhere Staatsverschuldung finanziert werden mussten. Das ist bedenklich, denn eine sehr hohe Schuldenlast bremst das Wachstum.

 

Es gibt aber noch mehr deflationär wirkende Faktoren: die Globalisierung, den unaufhörlichen Abwärtsdruck auf die Preise durch das Internet, alternde Bevölkerungen und sinkende Geburtenraten – wobei letztere auch Ausdruck eines schwächeren Wirtschaftswachstums sind. Die Notenbanken Japans und der EU haben beide versucht, die Inflation auf 2% anzuheben. Keiner von beiden ist dies gelungen. Warum sollte es in Großbritannien oder den USA anders sein? Die geldpolitischen Entscheider in den Notenbanken wissen genau, wie sie mit der Inflation umzugehen haben. Was sie nachts wach hält, ist aber die Deflation. Auch die Anleihenmärkte rechnen nicht mit einer höheren Inflation. Als die Aktienmärkte mit starken Kurssprüngen auf die Nachricht über vielversprechende Covid-19-Impfstoffe reagierten, zeigten sich die Anleihenmärkte wenig beeindruckt. Und an den täglichen Kursen inflationsindizierter Anleihen lässt sich ablesen, dass auch die Erwartungen an die längerfristigen Inflationsraten gedämpft sind.

 

 

Cherry picking opportunities in government bond market

Die Insolvenzen und Zahlungsausfälle dürften zunehmen, aber …

Covid beschleunigt viele Trends. Der Trend zum Onlineshopping bringt den innerstädtischen Einzelhandel in Existenznöte, während die zunehmende Arbeit im Homeoffice zu leer stehenden Büros und sinkenden Mieten führt. In der Tourismusbranche, die rund 10% zum weltweiten BIP beiträgt, führen Reisebeschränkungen zu weniger Urlaubsreisen, Konferenzen und Kreuzfahrten, also auch weniger Flügen, Hotelübernachtungen, Galerie- und Restaurantbesuchen. Ein Teil dieses Geschäfts wird für immer verschwunden sein. Natürlich wird die Nachfrage wieder zunehmen, möglicherweise aber nur langsamer als erwartet. Es wird einige Zeit dauern, bis die Menschen wieder Vertrauen fassen.

 

Das macht den Markt für Unternehmensanleihen zu einem Minenfeld. Seit Beginn des Gelddruckens haben die Notenbanken zwar für eine gewisse Kursunterstützung an den Unternehmensanleihenmärkten gesorgt. Den jüngsten Anstieg der Zahlungsausfälle von Unternehmen haben sie aber nicht verhindern können. Die Zentralbanken können genug Liquidität in die Märkte pumpen, um alle über Wasser zu halten. Gefährliche Strudel, die bilanzschwächere Unternehmen 2021 in die Tiefe ziehen könnten, gibt es aber genug. Besonders schwer könnte das kommende Jahr für hochverschuldete, sehr konjunkturabhängige Unternehmen werden.

… nichts ist so permanent wie ein temporäres Regierungsprogramm

Gleichzeitig haben die Regierungen den Unternehmen mit einer Fülle von Transferleistungen und Krediten unter die Arme gegriffen – und einige dieser Programme könnten noch weiter verlängert werden, um den Unternehmenssektor zu stärken. Das könnte einige potenzielle Insolvenzen und Firmenpleiten hinauszögern. Und auch wenn die Verschuldung inzwischen besorgniserregende Ausmaße erreicht hat, sind die Zinsen auf diese Schulden weiter vergleichsweise niedrig und die Notenbanken wollen dafür sorgen, dass dies auch so bleibt. Deshalb gehen wir davon aus, dass sie einen Anstieg der Anleiherenditen zu verhindern werden wissen. Die dafür nötigen Instrumente haben sie. Und da deutliche Steuererhöhungen die für den Schuldenabbau benötigte Erholung gefährden würden, könnten die Regierungen ihre Notenbanken früher oder später auch für eine Direktfinanzierung ihrer Ausgabenpläne einspannen. Mit diesem als „Moderne Geldtheorie“1 bekannten Ansatz rechnen wir bis auf Weiteres allerdings nicht. Dafür wäre vermutlich auch eine Änderung des Federal Reserve Act erforderlich2.

Wo also finden Anleiheninvestoren noch Ertragsquellen?

Angesichts der in vielen Ländern extrem niedrigen Zinsen könnten marktbreite Investments der falsche Ansatz sein. Investoren werden künftig größere Mühe haben, Ertragsquellen zu finden. Wir sehen selektive Anlagechancen am unteren Ende des Investment-Grade-Spektrums sowie bei einigen höher verzinslichen, risikoreicheren Anleihen defensiver Unternehmen. Auch an den Staatsanleihenmärkten dürfte es einzelne attraktive Anlagemöglichkeiten geben: Neben chinesischen Staatsanleihen halten wir aktuell auch russische Staatspapiere und bestimmte Schwellenländeranleihen für interessant.

Schließlich meinen wir, dass es zu einer Annäherung der Renditen länger laufender australischer Staatsanleihen an die niedrigeren Renditen in anderen Industrieländern kommen könnte. Das könnte ein nennenswertes Kapitalwachstum ermöglichen. Unserer Ansicht nach übersehen einige Investoren diese Chance, weil sie zu fokussiert auf die Allzeittiefs der Zinsen sind. Falls die Impfstoffe aber keine so positiven Auswirkungen auf die Wirtschaft haben sollten wie derzeit erwartet, könnten diese Renditen sogar noch tiefer sinken.

1 Eine umstrittene Form der staatlichen Finanzierung, die nur in Ausnahmesituationen angemessen ist, in denen die Wirtschaft weit von der Vollbeschäftigung entfernt ist, deflationäre Kräfte wirken und die Zinsen nahe bei Null liegen. In einem Abschwung, wenn eine Finanzierung der Staatsausgaben durch Steuererhöhungen kontraproduktiv sein kann, können Regierungen – in begrenztem Umfang – Geld drucken, um Waren und Dienstleistungen direkt zu bezahlen.
2 Ein Gesetz, das die Struktur und Arbeitsweise der US-Notenbank definiert und untermauert.
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