Im Oktober 2021 notierte die Netflix-Aktie mehr als vier Mal so hoch wie rund vier Jahre zuvor, nachdem sich die weltweite Abonnentenbasis des Unternehmens mehr als verdoppelt hatte. In den folgenden sechs Monaten gab die Aktie diese Gewinne komplett wieder ab und notierte wieder auf dem Tiefstand von Ende 2017.

 

Die Talfahrt der Aktie gipfelte in einem 35-prozentigen Kurseinbruch am 20. April. Einen Tag zuvor hatte Netflix für das Quartal bis Ende Juni einen Rückgang um 2 Millionen Abonnenten prognostiziert und bekanntgegeben, dass es im ersten Quartal 200.000 Kunden verloren hatte. Das war der erste Rückgang der Kundenzahlen seit zehn Jahren – bemerkenswert war dabei, dass Asien die einzige Region war, in der das Unternehmen Abonnenten hinzugewann.

 

Ebenfalls am 20. April gab Pershing Square Capital Management bekannt, dass es seine Netflix-Beteiligung mit einem ausgewiesenen Verlust von 400 Millionen Dollar verkauft hatte – nur drei Monate nach Bekanntgabe der Beteiligung.

 

„Aufgrund der hohen Konzentration unseres Portfolios benötigen wir ein hohes Maß an Vorhersehbarkeit bei den Unternehmen, in die wir investieren“, erklärte Pershing Square-Gründer und CEO Bill Ackman in einer Pressemitteilung. „Die Breite der möglichen künftigen Ergebnisse [bei Netflix] ist so groß geworden, dass das Unternehmen unsere Anforderungen als Kernposition nur noch schwerlich erfüllt.“

 

„Wir benötigen ein hohes Maß an Vorhersehbarkeit“ scheint kaum zu einer Allokation von fast 6% in ein Unternehmen zu passen, von dem man sagt, dass seine Ergebnisse in der Zukunft größeren Schwankungen unterliegen könnten. Das Wachstum von Netflix wurde durch die Einführung eigener Streamingdienste durch traditionelle lineare TV-Anbieter sowie durch Megacaps wie Apple, Alphabet, Amazon und Disney ausgebremst.

 

Wir wollen hier keine Kritik an einem bestimmten Anlagestil üben – jeder Anleger hat eigene Parameter für die Risikoanalyse und das Portfoliomanagement. Der Anlagestil von NZS Capital akzeptiert die Unvorhersehbarkeit der Welt. Anders ausgedrückt verlassen wir uns nicht auf die Hoffnung, dass sich eine Reihe relativ präziser Vorhersagen als richtig erweisen werden.

 

Keine Vorhersagen zu treffen kann sich für viele Anleger kontraintuitiv anfühlen. Es ist jedoch zunehmend notwendig, da die digitale Transformation der Wirtschaft das Tempo des Wandels beschleunigt. Dadurch wird die Welt noch unberechenbarer.

 

Anstatt zu versuchen, eine Reihe von Prognosen in ein bestimmtes Weltbild zu pressen, sollten sich Anleger unserer Ansicht nach darauf konzentrieren, nach Unternehmen zu suchen, die dauerhaft von der Umstellung von Analog zu Digital profitieren. Die besten Voraussetzungen für den langfristigen Anlageerfolg sind daher die Anpassungsfähigkeit und die Maximierung der Wertschöpfung für alle Stakeholder („Non-Zero-Sum“), wodurch niemand einen Anbieterwechsel in Erwägung zieht.

 

Wenn ein Wertpapier so bewertet ist, dass einige Wachstumsannahmen stimmen müssen, damit sich der Kurs des Titels längerfristig positiv entwickelt, kann ein größerer Anteil des Portfoliovermögens in dieses Wertpapier investiert werden. Umgekehrt gilt: Wenn die möglichen Entwicklung in verschiedene Richtungen gehen könnte und unberechenbarer wird, sollte die Position kleiner sein.

 

Diese Art von Stresstest für die eigenen Annahmen führt zu einem Portfolio, das auf einem Kern resilienter Unternehmen aufbaut, ergänzt durch mehrere kleinere Optionalitätspositionen in Unternehmen, die sich in einer früheren Entwicklungsphase befinden und ein deutlich höheres Aufwärtspotenzial als Abwärtsrisiko aufweisen.

 

Eine zu hohe Allokation in ein optionales Unternehmen, dessen künftige Entwicklung unberechenbarer geworden ist, ist eine Wette auf eine enge Vorhersage der Zukunft. Dadurch erhöht sich nicht nur das Gesamtrisiko des Portfolios – diese Vorgehensweise bindet auch Ressourcen, die besser für andere optionale Positionen mit attraktiveren asymmetrischen Merkmalen verwendet werden könnten.

 

In Zeiten des Umbruchs ist eine disziplinierte Bewertung möglicher künftiger Entwicklungspfade immens wichtig. In einem unsicheren Umfeld tut sich der Markt besonders schwer, ins Gleichgewicht zu finden. Heute tragen dazu vor allem die zunehmenden Sorgen über globale Konflikte, Lieferengpässe und die Wahrscheinlichkeit bedeutender Zinserhöhungen zur Eindämmung der Inflation bei.

 

Diese Kombination von Sorgenfaktoren hat dazu geführt, dass Anleger dem Narrativ folgen, Unternehmen müssten aktuell profitabel wirtschaften, um sich als langfristige Wachstumsanlage zu eignen.

 

Den Konsensschätzungen der Analysten zufolge wurde die Salesforce-Aktie am 28. April mit dem 5,6-Fachen des Unternehmenswerts im Verhältnis zum Umsatz der nächsten zwölf Monate gehandelt; das entsprechende Multiple für Oracle betrug 5,8. Dabei liegen die Konsensschätzungen für das Umsatzwachstum im jeweils nächsten Geschäftsjahr bei Salesforce bei fast 20%, bei Oracle dagegen nur im niedrigen einstelligen Bereich. Damit wächst Salesforce etwa drei- bis vier Mal so schnell wie Oracle. Auch wenn Oracle aktuell profitabler ist, spricht daher viel dafür, dass beide Unternehmen künftig ähnliche Margenstrukturen bei ähnlichen Wachstumsraten aufweisen werden.

 

Die Anleger scheinen – hoffentlich vorübergehend – vergessen zu haben, dass Unternehmen, die in ihr eigenes künftiges Wachstum und das ihres Ökosystems investieren, langfristig tendenziell mehr Wert schaffen.

 

Am aktuellen Ausverkauf fällt auf, dass die Anleger alle Wachstumswerte in einen Topf werfen und dabei von einer langfristig erhöhten Inflation und strukturell höheren Zinsen ausgehen. So könnte es kommen. Eine allgemeinere Vorhersage ist jedoch, dass sich die Technologie-Investitionszyklen aufgrund zunehmender Innovationen beschleunigen werden. Dadurch würden sich neue Technologien schneller durchsetzen, was zu einem Rückgang der Zinsen und der Inflation führen könnte, da Innovationen schon immer ein starker deflationärer Wachstumsmotor waren.

 

Welche dieser Möglichkeiten eintreten wird, können wir nicht mit Gewissheit sagen. Nur eines wissen wir ganz sicher: Dass wir nicht wissen, was die Zukunft bringen wird. Anstatt also Zeit für Vorhersagen aufzuwenden, die sich höchstwahrscheinlich als falsch herausstellen werden, sollten wir lieber Ausschau nach Unternehmen halten, die diese Zukunft – wie auch immer sie aussehen mag – gestalten und davon profitieren.

 

Brad Slingerlend ist Anteilseigner von NZS Capital und Mitgründer des Unternehmens, das er 2019 gemeinsam mit Brinton Johns gründete. NZS Capital unterhält eine strategische Partnerschaft mit Jupiter Asset Management.

 

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