Der Chefvolkswirt der Bank of England hat die britische Wirtschaft unlängst mit einer ‚Sprungfeder‘ verglichen: Sobald die Maßnahmen zur Eindämmung des Virus aufgehoben werden, würde sich die aufgestaute Konsumnachfrage sprunghaft entladen. Dieses Bild entspricht auch der Markterwartung. Aktueller Konsens ist, dass sich die Weltwirtschaft kräftig erholen wird, wenn die Volkswirtschaften dank erfolgreicher Impfkampagnen wieder hochgefahren werden können, unterstützt durch eine wachstumsförderliche Fiskal- und Geldpolitik.

 

Tatsächlich scheinen die Märkte fest an eine Rückkehr der Inflation zu glauben. In den USA ist der Anteil der Emittenten mit einem Rating von CCC oder niedriger an den Neuemissionen von Hochzinsanleihen so hoch wie zuletzt 2007. Und Anzeichen einer Blasenbildung sind nicht nur an den Kreditmärkten erkennbar. Auch der S&P 500 notiert nach seinem kurzfristigen Schwächeanfall Anfang März bereits wieder auf Allzeithochs.

 

Ich bin nach wie vor der Ansicht, dass die Reflationsprognosen übereilt sind und uns das Niedrigzinsumfeld noch für längere Zeit erhalten bleiben wird.

 

Angesichts des sehr niedrigen Ausgangsniveaus wird die Inflation sicherlich deutlich anziehen, wenn die Volkswirtschaften wieder geöffnet werden. Dieser Effekt dürfte aber schon nach wenigen Quartalen wieder verpuffen, wenn das Wachstum letztlich doch wieder hinter den Erwartungen zurückbleibt. Die Inflation wird überall durch eine Kombination mehrerer struktureller Faktoren ausgebremst: die zu hohe Verschuldung, die ‚Zombifizierung‘ der Wirtschaft (mit immer mehr Unternehmen, die nur noch durch billige Kredite am Leben gehalten werden), die alternden Bevölkerungen und die disruptiven Auswirkungen der Globalisierung, des technologischen Fortschritts und der Niedriglohnarbeit.

Das A und O: die Lohnentwicklung

Selbst in China, wo die Wirtschaft seit mehreren Monaten boomt, gibt es noch keine Hinweise auf einen Anstieg der Inflation. Im Januar ist die Jahresrate des chinesischen Verbraucherpreisindex sogar um 0,3% gesunken. Ähnlich wie in den entwickelten Volkswirtschaften stagniert das Bevölkerungswachstum in China und die Zahl der Erwerbstätigen schrumpft seit 2012. Vor diesem Hintergrund haben wir für unsere Strategie 10-jährige chinesische Staatsanleihen gekauft, die deutlich mehr Rendite abwerfen als US-Treasuries.

 

Anleger sollten auch bedenken, dass die Inflation in den USA im zurückliegenden Jahrzehnt bei durchschnittlich nur 1,6% lag, obwohl die US-Wirtschaft den längsten Wirtschaftsboom der Nachkriegsgeschichte erlebte, mit Vollbeschäftigung, quantitativer Lockerung und Steuersenkungen für Unternehmen. Entscheidend ist letztlich vor allem die Lohnentwicklung. Nur, wenn die Löhne nachhaltig stärker steigen, wird die strukturelle Inflation zu einem dauerhaften Problem werden.

 

Sowohl die Überkapazitäten auf dem Arbeitsmarkt als auch die Inflationserwartungen der Verbraucher deuten auf eine längerfristig schwache Inflation hin. Vier Jahrzehnte eines schwachen Lohnwachstums und der Niedergang der Gewerkschaften haben die Verhandlungsposition der Arbeitnehmer deutlich geschwächt. Zusätzlich verschärft worden ist dieser Trend durch die unaufhörliche Automatisierung und den wachsenden Einfluss globaler Monopole.

Schulden – ein Zuckerrausch

Einige verweisen auf das zuletzt starke Geldmengenwachstum als Vorbote einer höheren Inflation. Dieses ist jedoch zu einem Großteil darauf zurückzuführen, dass Unternehmen vermehrt Kreditlinien bei Banken abgerufen haben, um sich über Wasser zu halten. Ich bezweifle auch, dass wir bedeutende Produktivitätsrückflüsse aus den letztjährigen staatlichen Hilfsprogrammen sehen werden, da es sich dabei eher um lebenserhaltende Maßnahmen für die Wirtschaft als um konjunkturelle Anreize im eigentlichen Sinne gehandelt hat.

 

Mich stimmt die immer höhere Verschuldung besorgt. Die weltweiten Regierungen haben im vergangenen Jahr etwa 15 Billionen Dollar an Schulden aufgenommen. Wenn der ‚Zuckerrausch‘, den dieser Schuldenwettlauf kurzfristig auslöst, verebbt ist, werden die beschriebenen strukturellen Probleme wieder zum Vorschein kommen. Japans Zentralbank hat alles versucht, was Europa und die USA in den letzten zehn Jahren unternommen haben, um eine nachhaltige Inflation zu erzeugen – ohne Erfolg.

Kein zweiter Gebrauchsgüterboom

Dass einige Verbraucher nach der Pandemie wieder in Hotels, Restaurants, Freizeitparks & Co. strömen werden, ist zu erwarten – eine deutliche Reflation ist dadurch aber keineswegs vorprogrammiert. Wie der Ökonom David Rosenberg ausgerechnet hat, machen diese Bereiche, in denen sich eine aufgestaute Nachfrage kurzfristig entladen könnte, nur 8,5% der gesamten Verbraucherausgaben aus.1 Auch vermute ich, dass sich nicht alle gleich wieder auf Reisen, Freizeit- und Unterhaltungsangebote stürzen werden – ebenso viele dürften erst einmal vorsichtig bleiben. Diejenigen, die im letzten Jahr kalt erwischt wurden, weil sie kaum Ersparnisse hatten, werden diesen Fehler nicht noch einmal machen wollen. In einem schwierigen Arbeitsmarktumfeld mit schwachem Lohnwachstum gilt das umso mehr. Daher spricht einiges dafür, dass die Sparquoten noch für einige Zeit erhöht bleiben könnten.

 

Käufe langlebiger Gebrauchsgüter sind eine wesentliche Komponente der Verbraucherausgaben und im zurückliegenden Jahr ist es während der weltweiten Lockdowns in diesem Bereich zu einem Boom gekommen, der sich kaum wiederholen wird. In den USA wurde deutlich mehr als normal für langlebige Gebrauchsgüter wie Autos, Möbel oder Elektrogeräte ausgegeben und der Anteil der Gebrauchsgüterausgaben am BIP erreichte den höchsten Stand seit Anfang 2007. Da es sich bei langlebigen Gebrauchsgütern im Allgemeinen um einmalige oder nur in sehr großen zeitlichen Abständen getätigte Anschaffungen handelt, sehe ich hier nicht viel Spielraum für Nachholbedarf.

 

1https://financialpost.com/investing/investing-pro/david-rosenberg-two-big-problems-with-the-pent-up-demand-everybody-is-counting-on

Jede Menge Anlagemöglichkeiten für umsichtige Investoren

Wenn alle auf einer Seite sitzen, kann schon eine kleine Querströmung das Boot zum Kentern bringen. Was den Inflationsausblick angeht, halte ich es nicht für ratsam, voll mit dem Konsens zu gehen und alles auf eine Rückkehr der Inflation zu setzen. Deshalb verfolgen wir mit unserer Strategie eine flexible ‚Barbell‘-Strategie mit sorgsam ausgewählten Unternehmensanleihen sowie einer Allokation in hochwertige Staatsanleihen zur Abschirmung gegenüber potenziellen Risiken.

 

Der Ausblick für Unternehmensanleihen ist in der Tat positiv: Mit ihren Interventionen zur Unterstützung der Kreditmärkte haben die Notenbanken im vergangenen März gezeigt, dass sie zu allem bereit sind. Wir bevorzugen kurzlaufende Unternehmensanleihen aus Sektoren wie Technologie, Medien und Telekommunikation, Lebensmittelherstellung und Supermärkten oder von Emittenten in Sondersituationen, deren Liquidität wir auf Grundlage umfassender Kreditanalysen für gesichert halten. Für zusätzliches Alpha setzen wir auf ausgewählte Energietitel aus Europa und den USA, die vom besseren Ausblick für Öl profitieren sollten. Heute wissen wir, dass alles ganz anders kommen kann, als wir erwarten. Als gewisse Absicherung gegen Extremrisiken halten wir eine Position in mittel- und langfristigen AAA-Staatsanleihen daher weiterhin für sinnvoll.

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