Aufgrund geldpolitischer Fehlentscheidungen waren die Jahre nach der globalen Finanzkrise durch niedrige Wachstums- und Inflationsraten geprägt. In diesem Umfeld erwies sich die Dominanz der Zentralbanken als sehr förderlich für Finanzanlagen. Während die Anleihenrenditen sanken und die Volatilität gering war, entwickelte sich die Wirtschaft nur schwach, da die Liquidität der Zentralbanken direkt in Finanzanlagen floss.

 

Jetzt befinden wir uns in einer anderen Ära. Das makroökonomische Umfeld verändert sich, die Inflation ist höher, der Arbeitskräftemangel ist ein Thema und das alles wird sich so schnell nicht ändern. Durch die weltweiten Angebotsverknappungen sind Rohstoffe – Metalle, Agrarrohstoffe und Energie — teuer.

Höhere Preise auf breiterer Basis

Ein Faktor, der die Zentralbanken besorgt stimmt, sind die steigenden Dienstleistungspreise. Außerdem wächst der Anteil der Güter im Verbraucherpreisindex (CPI), deren Preise schneller steigen, als die Währungshüter es gerne hätten. Bei immer mehr Waren und Dienstleistungen liegt der Preisanstieg über dem Zielwert von 2%.

 

Dieser Preisschub veranlasst die Zentralbanken zu einer Straffung ihrer Geldpolitik. Die Anleihenrenditen steigen und die Zentralbanken werden Liquidität aus dem Markt nehmen. Sie wollen die Liquidität reduzieren und nicht nur die Zinsen anheben, weil diese aus politischer Sicht für einige Aspekte der Märkte negativ sein müssen.

 

Im Januar erklärte die US-Notenbank (Fed), dass sie bald mit der Rückführung ihrer 9 Billionen US-Dollar schweren Bilanz beginnen würde – ein Prozess, der auch als quantitative Straffung (Quantitative Tightening, QT) bezeichnet wird. Außerdem kündigte die Fed an, ihre monatlichen Nettoankäufe von US-Staatsanleihen und hypothekenbesicherten Wertpapieren um weitere 20 bzw. 10 Mrd. US-Dollar zu reduzieren und bis März komplett zu beenden.

 

Der Fed ist an einer steilen Zinskurve und einem schwächeren Dollar gelegen und sie weiß noch allzu gut, was passierte, als sie die Geldpolitik in der Vergangenheit zu stark straffte und den Dollar in die Höhe trieb. Damit das nicht wieder passiert, dürfte die Fed dieses Mal mehr Gebrauch von der quantitativen Straffung machen. Auch politisch betrachtet macht es Sinn, auf QT und Zinserhöhungen gleichzeitig zu setzen.

 

In einem von steigenden Renditen und einer geringeren Liquidität geprägten Umfeld ist Flexibilität gefragt. Bislang konnten Anleger alles, was Zinsen abwirft, kaufen – fast jedes Unternehmen konnte Anleihen begeben und überleben. Das wird jetzt nicht mehr der Fall sein. Anleger müssen die Flexibilität haben, Short-Positionen einzugehen, und Anlagen schlechterer Qualität meiden, weil diese sehr wahrscheinlich unterdurchschnittlich performen werden. Zu sehen war das zum Beispiel im Technologiesektor, wo sich höherwertige Titel besser gehalten haben.

Die Bilanzen der Zentralbanken wachsen weiter…

 

…aber das Wachstum hat sich bereits deutlich verlangsamt

Quelle: Bloomberg, Stand: 31.02.2022.

Long und short

Das ist eine vernünftige Neubewertung von Risiken, wie man sie von Märkten erwarten sollte. In der Ära der exzessiven Liquidität verhielten sich die Märkte jedoch nicht so. Anleger müssen in der Lage sein, sowohl long als auch short zu gehen. In der Welt der umgekehrten Liquidität ist das wichtig.

 

Die Zentralbanken sind überall sehr gut in der Krisenbekämpfung geworden, weil sie ein ungleichgewichtiges Wachstum hatten, bei dem die Märkte sehr schnell zusammenbrechen. Die Fed weiß, dass Liquidität und der Zugang zu Dollars im Ausland ein Problem darstellen können, insbesondere wenn sie die Zinsen anhebt und die fiskalische Unterstützung zurückfährt. Daher hat sie ständige Repo-Fazilitäten eingerichtet, um zu verhindern, dass es im Zinserhöhungszyklus zum Kurzschluss kommt oder er zu früh beendet werden muss, wie es in der Vergangenheit der Fall war. Die Märkte scheinen diesbezüglich noch skeptisch zu sein. Zum Zeitpunkt des Schreibens dieses Artikels haben sie sechs Zinserhöhungen für dieses Jahr und zwei für das nächste Jahr eingepreist, gefolgt von einer Zinssenkung. Wir halten dieses Szenario für verfehlt.

 

Synchronisiertes globales Wachstum

Wir sind der Meinung, dass die globale Wachstumsdynamik – ein synchronisiertes globales Wachstum -, bei der die Zentralbanken auf der ganzen Welt die Geldpolitik straffen, zusammen mit der Verfügbarkeit von Liquiditätsprogrammen wie der ständigen Repofazilität und der fiskalischen Unterstützung durch die Regierungen, einschließlich des European Recovery Fund und der Unterstützung für die grüne Wirtschaft, sicherstellen sollte, dass dieser Zinserhöhungszyklus, anders als in der Vergangenheit, nicht frühzeitig endet. In diesem Umfeld sollten die Zentralbanken in der Lage sein, die Zinsen anzuheben und erfolgreich Liquidität aus dem Markt zu nehmen.

 

Angesichts eines synchronisierten globalen Wachstums spräche unserer Ansicht nach viel dafür, Dollar zu verkaufen, Schwellenländeranlagen zu kaufen und Staatsanleihen der Industrieländer zu verkaufen. Investment-Grade-Anleihen könnten sich schwer tun.

 

Was dieser Einschätzung entgegenstehen würde, wäre vor allem eine anhaltend hohe Inflation in den USA, die zu weiteren kurzfristigen Zinserhöhungen führen würde. Außerdem stellt die Geopolitik einschließlich des Ukraine-Russland-Konfliktes ein Risiko dar, genauso wie die Wachstumsschwäche in China.



Wir befinden uns in der Ära der Reflation der Weltwirtschaft und der Straffung durch die Zentralbanken. Vor dem Hintergrund eines synchronisierten globalen Wachstums würde sich unserer Ansicht nach ein Blick auf höher verzinsliche Staatsanleihen in anderen Währungen als US-Dollar, vor allem aus den Emerging Markets, lohnen. Viele Schwellenländer haben die Zinsen bereits deutlich angehoben, da sie die weltweit steigende Inflation im Jahr 2021 nicht so gut ignorieren konnten wie die USA. Staatsanleihen der weltweiten Industrieländer dürften weiter unter Druck stehen, wenn die Zinsen steigen und der Kampf gegen die Inflation beginnt. Anleger könnten sich schwer tun, mit Investment-Grade- und Hochzinsanleihen Erträge zu generieren, wenn die Liquidität abgezogen wird und die Ära der niedrigen Inflation endet.

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