Der Weg zur Netto-Null: Wie wir den CO2-Fußabdruck von Anleihenemittenten analysieren
Harry Richards, Fondsmanager, Fixed Income, und Anna Karim, Fixed Income ESG Director, erklären, wie ihr Team Unternehmen analysiert, die die ‚Net Zero‘-Agenda unterstützen.
Wir verpflichten uns dazu, einen aktiven Beitrag zur Umstellung auf eine Netto-Null-Emissionen-Wirtschaft zu leisten. Das Schmelzen des arktischen Meereises, das Absterben von Korallenriffen, Dürreperioden im Amazonas-Regenwald und Waldbrände sind Beispiele für den Klimanotstand. Der Kohlendioxidgehalt (CO2) in der Atmosphäre ist so hoch wie seit Jahrtausenden nicht mehr. Ohne die Umstellung auf eine klimaneutrale Weltwirtschaft hat der Planet Erde keine nachhaltige Zukunft.
Verantwortung übernehmen
Wichtig ist auch ein kritischer Dialog mit den Managementteams, um die Unternehmen für die Bedeutung einer besseren ESG-Berichterstattung zu sensibilisieren, vor allem im Anleihenbereich, wo die Informationen häufig noch deutlich lückenhafter sind als bei Aktienanlagen. Es ist einfach nicht möglich, sinnvolle Ziele für die Emissionsreduzierung festzulegen und Pläne für ihre Erreichung zu entwickeln, ohne die Emissionen zuvor zu messen. Eine gute Möglichkeit, auf positive Veränderungen hinzuwirken, besteht darin, das betreffende Unternehmen dazu zu ermutigen, im Einklang mit den Standards der Task Force on Climate-Related Financial Disclosures (TCFD – Arbeitsgruppe für klimabezogene Finanzberichterstattung)1 zu berichten und sich wissenschaftsbasierte Ziele zu setzen2.
Eine unserer Kernüberzeugungen lautet, dass wir uns der CO2-Problematik aktiv annehmen sollten, anstatt sie auf andere abzuwälzen. Eine Strategie, die lediglich besonders emissionsintensive Branchen ausschließt, kann so den CO2-Fußabdruck des Portfolios reduzieren, geht aber am Kern des Problems vorbei. Damit das Ziel des Pariser Klimaabkommens – eine Begrenzung der globalen Erwärmung auf deutlich unter 2 Grad (oder bestenfalls 1,5 Grad) – erreicht wird, müssen die besonders emissionsintensiven Unternehmen noch viel ändern. Das Problem verschwindet nicht dadurch, dass man diese Branchen komplett ausschließt. Stattdessen treten wir in den Dialog und lenken Kapital in Unternehmen, die sowohl in der Lage als auch bereit dazu sind, sich zu ändern.
In ähnlicher Weise können Unternehmen, die dazu gedrängt werden, sich ihrer „Probleme“ zu entledigen, bei ESG-Kriterien besser abschneiden – adressiert werden diese Probleme dadurch jedoch nicht. Ein gutes Beispiel dafür ist die Veräußerung des alaskischen Öl- und Gasgeschäfts durch BP an Hilcorp Energy, ein privates US-Unternehmen, im Jahr 2019. Innerhalb weniger Monate stiegen die Emissionen des Vermögenswerts um fast 9%. Das hätte vielleicht vermieden werden können, wenn das Geschäft bei BP verblieben wäre, denn als börsennotiertes Unternehmen steht BP stärker im kritischen Licht der Öffentlichkeit.
Wir schließen nicht aus, in Unternehmen mit einer aktuell schlechten CO2-Bilanz zu investieren. Wir können investieren, wenn das Unternehmen nach unserer Einschätzung zu Veränderungen fähig ist, das Führungsteam sich zu positiven Veränderungen verpflichtet hat und greifbare Fortschritte erzielt werden können. Engagement statt pauschaler Ausgrenzung ist der Schlüssel zur Bekämpfung der Klimakrise. Für den konstruktiv-kritischen, auf echte Veränderungen ausgerichteten Dialog mit Unternehmensemittenten ist ein großes Team von Kreditanalysten eine unschätzbare Ressource.
Im Folgenden skizzieren wir zwei Beispiele für Anleihenemittenten (nicht notwendigerweise Fondspositionen), um einige unserer Überlegungen zu veranschaulichen.
Eni
Unsere Welt ist immer noch in hohem Maße von der Verbrennung fossiler Brennstoffe abhängig, die etwa 80% der weltweiten Energieerzeugung ausmachen. Wir können diese Energiequelle nicht einfach abschalten, ohne eine Alternative zu haben. Wir glauben, dass die großen Energiekonzerne Teil der Lösung für eine nachhaltigere Zukunft sein können. In der Energieindustrie gehört Eni unserer Ansicht nach zu den diesbezüglich führenden Unternehmen.
Eni ist einer der größten integrierten Energiekonzerne der Welt. Im Upstream-Geschäft von Eni ist der Erdgasanteil (Erdgas hat eine geringere CO2-Intensität als Öl und Kohle) höher als bei den meisten Wettbewerbern. Außerdem verfügt das Unternehmen über eine deutlich stärkere Präsenz im Erneuerbare-Energie-Bereich als ähnliche Unternehmen. Eni ist nur in begrenztem Maße in der ökologisch umstrittenen nordamerikanischen Fracking-Industrie tätig.
Eni hat eine gut artikulierte Dekarbonisierungsstrategie. Diese umfasst (i) einen bedeutenden Ausbau der Stromerzeugungskapazitäten aus erneuerbaren Energieträgern, (ii) einen verstärkten Einsatz von Technologien zur Kohlenstoffabscheidung, (iii) den Erhalt der Wälder für den CO2-Ausgleich und (iv) eine fortgesetzte Verlagerung von Erdöl zu Erdgas. Das Unternehmen geht davon aus, dass es bis zum Jahr 2050 Netto-Null-Emissionen (Scope 1, 2 und 3) erreichen wird. Dabei sollen klar definierte Zwischenziele und ein Investitionsprogramm helfen. Aktuell deckt das Unternehmen knapp 1% des weltweiten Öl- und Gasverbrauchs ab. Bis 2050 will Eni so weit sein, dass allein die Erneuerbare-Energie-Anlagen etwa 1% des derzeitigen globalen Strombedarfs erzeugen können.
JPMorgan Chase & Co
JPMorgan ist eine der größten Banken der Welt mit einer enormen Kreditvergabekraft, die vielen Unternehmen zugutekommt. Die Bank steht aufgrund der absolut hohen Kreditsummen für CO2-intensive Branchen häufig in der Kritik. Tatsächlich ist der Anteil dieser Darlehen am Kreditbuch der Bank jedoch wesentlich geringer als bei vielen anderen Banken. Unseres Erachtens kann JPMorgan mit seiner Größe einen bedeutenden Beitrag zur Umsetzung der ‚Net Zero‘-Agenda leisten – wenn die Bank den richtigen Ansatz wählt.
In den letzten Jahren hat JP Morgan Chase & Co die Offenlegung der Scope-1-, -2- und -3-Emissionen stark verbessert und sich Ziele zur Reduzierung der Scope-3-Emissionsintensität gesetzt. Für 2030 hat sich die Bank folgende Ziele für die CO2-Intensität ihrer Portfolios gesetzt: eine 15-prozentige Verringerung im Öl- und Gasbereich (gCO2/MJ), ein Rückgang um 69% im Strombereich (kgCO2/MWh) und eine Rückführung um 41% im Automobilbereich (gCO2e/km). Einfach weniger Kapital in CO2-intensive Sektoren zu lenken ist keine Lösung: Wir müssen immer noch genügend Energie zu vertretbaren Kosten erzeugen. Umso mehr freuen wir uns, dass die Bank sich verpflichtet hat, in den nächsten zehn Jahren Investitionen in nachhaltige Lösungen in Höhe von 2,5 Bio. USD zu finanzieren oder zu unterstützen, einschließlich grüner und sozialer Anleihen.
Kurz zusammengefasst: Wir werten den Weg, den JPMorgan Chase & Co eingeschlagen hat, positiv, würden uns aber eine detailliertere Offenlegung zur CO2-Intensität von der Bank wünschen. Außerdem wünschen wir uns einen klaren Fahrplan, um die Fortschritte der Bank bei ihren Reduktionszielen zu verfolgen. Im engen Austausch mit der Bank werden wir gemeinsam mit einem Team von Jupiter-Managern für verschiedene Anlageklassen weiter darauf hinwirken, dass diese Verbesserungen umgesetzt werden.
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