Kopf und Herz spielen bei allen Entscheidungen, die Menschen treffen, eine Rolle. Kapitalanlagen bilden da keine Ausnahme. Manche Menschen lassen sich von ihrem Verstand leiten, andere eher von ihren Emotionen – dabei ist es wichtig, beiden gerecht zu werden.

Rein rationales Handeln kann einschränkend sein. Die Hypothese der effizienten Märkte beispielsweise, wonach sich alle neuen Informationen sofort in den Preisen widerspiegeln (und es somit unmöglich ist, Überrenditen zu erzielen), ist eine scheinbar einfache Theorie, die eine saubere intellektuelle Lösung bietet und den Verstand vieler Menschen anspricht. Die Hypothese schmeichelt dem Intellekt, indem sie den neoklassischen Wirtschaftstheorien entspricht, wonach rationale Entscheider, denen nur an der Maximierung ihres Nutzens gelegen ist, dafür sorgen, dass die Preise im Gleichgewicht bleiben. Die Effizienzmarkttheorie hat großen Anteil am Wachstum der passiven Anlagen.

Wir haben die Theorie immer als etwas zu eingängig empfunden, um plausibel zu sein. Im Verlauf der vergangenen Jahrzehnte haben einige Wissenschaftler argumentiert, dass die Märkte ineffizient sind, zum Beispiel, weil Anleger nicht immer rational handeln 1. In der realen Welt weichen die Preise weit vom Gleichgewicht ab – man denke nur an Kursblasen und Markteinbrüche.

Dass Märkte vielleicht doch ineffizient sind, liegt auch an Angst und Gier, zwei gefährlichen Emotionen für Anleger. Anleger, die sich von Gier leiten lassen, verkaufen Gewinneraktien möglicherweise zu früh, während andere aus Angst an Verliereraktien festhalten, um keinen Verlust zu realisieren. Wenn zu viele Anleger Gewinne aus gut laufenden Aktien realisieren, kann das die positive Kursentwicklung von Aktien, zu denen es gute Nachrichten gab, verzögern. Umgekehrt können sich negative Kurstrends von Aktien, zu denen es schlechte Nachrichten gab, verzögern, wenn viele Anleger an diesen Titeln festhalten. Das könnte erklären, warum Momentum-Strategien (Kauf von Aktien, die sich gut entwickelt haben, und Verkauf von Aktien, die schlecht gelaufen sind) häufig funktioniert haben 2.

Es gibt viele mögliche Ursachen für Marktineffizienzen, darunter: Kalendereffekte, die durch das Rebalancing von Anlageportfolios verursacht werden können, Aktien, die von weniger Analysten beobachtet werden und dadurch weniger im Einklang mit ihren Fundamentaldaten gehandelt werden Illiquidität des Marktes, Marktfriktionen und eine langsame oder unvollständige Informationsverbreitung. Einige der Ursachen sind in menschlichen Emotionen begründet. Der Ankereffekt, der Framing-Effekt, Verlustaversion, Selbstüberschätzung, Confirmation Bias und Überreaktion sind Beispiele für verhaltenspsychologische Phänomene, die das Anlegerverhalten und damit die Märkte beeinflussen können.

Style rotations

Eine Verhaltensneigung, die wir beobachtet haben, besteht darin, dass Anleger einem Stil (wie Value oder Growth) treu bleiben, der in der Vergangenheit gut funktioniert hat. Doch Märkte ändern sich, und ein Stil, der sich in einem Marktumfeld bewährt hat, kann in einem neuen Marktregime schlecht abschneiden. Daher halten wir eine größere Flexibilität in Bezug auf den Anlagestil für besser. Auf Basis unserer Analyse des Marktumfelds wechselt unser Investmentprozess dynamisch zwischen verschiedenen Stilen.

In den vergangenen Monaten waren die Rotationen zwischen dem Value- und Growth-Stil sehr ausgeprägt. Tatsächlich kann auch ein Seitwärtsmarkt in Bezug auf den Stil sehr turbulent sein, wenn es unter der Indexoberfläche zu Stilrotationen kommt. Manchmal sind Investoren bereit, stärker ins Risiko zu gehen. In einem solchen Umfeld kann ein Value-Stil geeignet sein. Zu anderen Zeiten (wie nach der Bankenkrise im März 2023) kann aus Value- in Growth-Aktien umgeschichtet werden (zuletzt getrieben durch das Potenzial künstlicher Intelligenz).
Gesunder Menschenverstand
Während durch Gier oder Angst motivierte Entscheidungen Anlegern schaden können, haben empirische Untersuchungen wiederholt gezeigt, dass sich wirtschaftliche Intuition auszahlen kann. Mit wirtschaftlicher Intuition meinen wir auf gesundem Menschenverstand basierende Einschätzungen zu Preisen und Wahlmöglichkeiten in einem Markt. Und wir meinen jeden beliebigen Markt in den letzten rund fünftausend Jahren (Märkte sind schließlich so alt wie die Zivilisation). Es entspricht dem gesunden Menschenverstand, dass man, wenn man die Wahl zwischen Schaf A und Schaf B hat und Schaf A bei vergleichbaren Merkmalen viel billiger ist als Schaf B, Schaf A kaufen sollte (wer das nicht weiß, wird nie zum Schäfer befördert). Diese Art von Intuition, die auf dem gesundem Menschenverstand beruht, ist die Grundlage des Value-Anlagestils (keine Gier, sondern ein umsichtiges Preisbewusstsein).

Der gesunde Menschenverstand sagt uns auch, dass Schaf A, wenn es besonders feine Wolle hat, mehr Perlen (oder Geld) wert ist als Schaf B. Dies ist die Grundlage des Quality-Anlagestils, bei dem auf besonders hochwertige Unternehmen gesetzt wird. Wenn man wiederum Schlachtvieh kauft, wird ein Schaf, das schneller heranwächst, einen höheren Preis erzielen: Darum geht es beim Growth-Anlagestil, bekannter in seiner modernen Anwendung auf wachstumsstarke Technologieunternehmen. Für die auf gesundem Menschenverstand basierende wirtschaftliche Intuition sind sowohl Kopf als auch Herz relevant. Anders als Angst und Gier ist die wirtschaftliche Intuition jedoch umsichtig, vernünftig und klarsichtig.
Systematische Aktienselektion
Die meisten Investoren versuchen, ihre Schafe manuell zu sortieren. Sie prüfen Bilanzen und Kurscharts und treffen sich mit den Managementteams der Unternehmen. Wir kritisieren diese seit langem etablierte Form des Investierens nicht – wir halten sie für richtig. Aber wir glauben, dass es in der heutigen Welt möglich ist, dem Verstand ein wenig elektronische Unterstützung zu geben. Daher verfolgen wir einen systematischen Ansatz, der auf der Auswertung von Daten und Analyse von Tausenden von Aktien an einem Vormittag basiert.

Obwohl wir systematisch vorgehen, selektieren wir die einzelnen Aktien auf der Grundlage derselben vernünftigen Auswahlkriterien, die sich seit Jahrhunderten auf den Finanzmärkten (und seit Jahrtausenden auf den Agrarmärkten) bewährt haben. Es ist ein Missverständnis zu glauben, dass ein systematischer Prozess nicht in der Lage ist, Aktien anhand ihrer Fundamentaldaten auszuwählen. Wir wählen Aktien aus denselben intuitiven, vernünftigen Gründen aus, die auch viele diskretionäre Investoren anwenden (z. B. aufgrund einer attraktiven Bewertung, einer hohen Qualität oder eines starken Wachstums des Unternehmens). Der Unterschied besteht darin, dass wir die Fundamentalanalyse systematisch und konsequent auf ein sehr großes Aktienuniversum anwenden. Es wäre unmöglich, Tausende von Aktien manuell zu analysieren, aber mithilfe von Computern lässt sich dies bewerkstelligen. Was ist mit Gesprächen mit der Unternehmensleitung und Analystentelefonkonferenzen? Auch hier wäre es unmöglich, an Tausenden von Meetings persönlich teilzunehmen, aber es ist möglich, Sitzungsprotokolle mit einer Computertechnik namens Natural Language Processing (NLP) zu analysieren, und genau das machen wir im Rahmen unseres Prozesses. NLP ist für uns ein wichtiges Forschungsfeld: Wir arbeiten permanent daran, unseren Investmentprozess aktiv zu verbessern.

Was überwiegt bei Anlegern, die mit gesundem Menschenverstand investieren: Kopf oder Herz? Vielleicht ist es eine Kombination von beidem: Kopf und Herz, die im Einklang handeln.
1 Werner F. M. De Bondt; Richard Thaler, Does the Stock Market Overreact? Journal of Finance, 40-3, 1984.
2 Jegadeesh and Titman, Returns to Buying Winners and Selling Losers: Implications for Stock Market efficiency, Journal of Finance, 48-1, 1993.
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