Die Inflation hat in den letzten Monaten fast überall stark angezogen und die Finanzpresse überschlägt sich mit Schlagzeilen über die „höchste Inflation seit 30 Jahren“. Die Gruppe einflussreicher Kommentatoren, die die Zentralbanken zu schnelleren Zinsschritten auffordern, wird größer. Während die US-Notenbank und die Europäische Zentralbank bisher nicht von ihrer akkommodierenden Haltung abgewichen sind, hat die neuseeländische Zentralbank in Panik bereits eine Straffung vorgenommen. Auch die widersprüchlichen Maßnahmen der Bank of England deuten auf ein gewisses Maß an Besorgnis hin.

 

Ich bin weiterhin der Ansicht, dass ein Großteil der aktuell zu beobachtenden Inflation auf vorübergehende Faktoren zurückzuführen ist, die mit dem Wiederhochfahren der Wirtschaft nach Aufhebung der pandemiebedingten Beschränkungen zu tun haben. Die durch die Pandemie verursachten Lieferkettenstörungen erweisen sich als deutlich schwieriger zu beheben, als ich und viele andere erwartet haben. Die Lieferengpässe könnten auch noch bis ins neue Jahr hinein andauern – sie werden uns aber nicht für immer beschäftigen. Auch am Arbeitsmarkt hat die Covid-Krise zu Störungen geführt, was eine gewisse Lohninflation zur Folge hatte. Bei genauerer Untersuchung ist aber auch hier festzustellen, dass die durchschnittlichen Arbeitskosten pro Produktionseinheit nicht wirklich gestiegen sind. Ich gehe davon aus, dass der Lohndruck wieder nachlässt, wenn mehr Menschen zur Arbeit zurückkehren. Tatsächlich haben die Produktivitätssteigerungen in den USA den Anstieg der realen Stundenlöhne im Großen und Ganzen deutlich übertroffen.

Geldpolitik trübt Wachstumsausblick

Ich sehe mehrere Faktoren, die das Wachstum im kommenden Jahr bremsen könnten. Ein echtes Risiko stellen auch Inflationsängste dar, die die Zentralbanken dazu zwingen könnten, die Zinsen ausgerechnet dann schneller zu straffen, wenn die Weltwirtschaft gerade an Fahrt verliert. Im nächsten Jahr könnte dies zu einem Rückschlag auf dem Erholungspfad führen.

 

Gemessen an historischen Maßstäben ist die Geldpolitik zwar nach wie vor locker – die Bilanzausweitung der Zentralbanken ist jedoch praktisch zum Stillstand gekommen. Gleichzeitig ist das Geldmengenwachstum in allen großen Volkswirtschaften ins Stocken geraten. Das Wachstum der chinesischen Geldmenge M2 ist mit einer Jahresrate von knapp über 8% wieder auf einem Rekordtief angelangt.

 

Zudem sind die gigantischen Konjunkturpakete der Regierungen, vor allem in den USA, ein wesentlicher Treiber der Erholung und die USA werden ihre Fiskalpolitik im Jahr 2022 voraussichtlich deutlich straffen. Tatsächlich steht den G4-Volkswirtschaften eine geld- und fiskalpolitische Straffung im Umfang von 5 bis 7 Billionen Dollar bevor. Das ist so viel wie das gesamte BIP von Japan. Auch sollte nicht vergessen werden, dass sich das vor Kurzem angekündigte Infrastrukturpaket in den USA über viele Jahre erstrecken wird. Angesichts des desolaten Zustands der US-Infrastruktur glauben wir zudem nicht, dass diese Ausgaben nennenswerte Auswirkungen auf den BIP-Ausblick haben werden. Darüber hinaus tun sich Regierungen häufig eher schwer mit einer effizienten Kapitalallokation. Leider kommt es bei öffentlichen Investitionsprojekten nur allzu häufig zu Verzögerungen, Mehrkosten und Pannen.

 

Zu den Auswirkungen der höheren Preise, die wir in diesem Jahr beobachten konnten, gehören nennenswerte Auswirkungen auf das Verbrauchervertrauen: Die jüngsten Verbraucherumfragen zu Käufen langlebiger Gebrauchsgüter in den USA zeigen, dass die Käufe so niedrig sind wie zuletzt Anfang der 1980er Jahre. Während der Pandemie waren die Ausgaben für langlebige Gebrauchsgüter explodiert, da die Konsumenten das Geld, das sie sparten, weil sie zu Hause blieben, für Haushaltsgeräte und Investitionen in ein schöneres Zuhause ausgaben. Dieser Konsumschub ist jetzt erschöpft. Wir erwarten zwar höhere Ausgaben für Dienstleistungen. Den 2 Milliarden Dollar schweren Gebrauchsgütersektor kann der Dienstleistungssektor mit seinem Volumen von 800 Milliarden Dollar aber nicht aufwiegen.

 

China: Ein Frühwarnsignal?

Bisher hat die Volatilität der chinesischen Immobilienwerte nicht auf andere Märkte übergegriffen. In China gab es mindestens sechs Zahlungsausfälle, und über 40% der chinesischen Hochzinsanleihen werden unter 50 Cent auf den Dollar gehandelt. Die chinesische Regierung treibt den Schuldenabbau im überschuldeten Immobiliensektor aktiv voran und wir glauben, dass diese Volatilität noch einige Zeit anhalten kann. Warum ist das wichtig? Mit seinem Volumen von rund 60 Billionen US-Dollar ist der Sektor nach einigen Maßstäben die größte Anlageklasse der Welt. Vor allem ist das Vermögen der privaten Haushalte in China zu 80% in Immobilien gebunden. Das vergleicht sich mit einem Wert von lediglich 15% in den USA und 60% in Japan zum Höhepunkt vor dem japanischen Immobiliencrash Ende der 1980er.

 

Ich vermute, dass diese Immobilienkrise auf den Rest der Welt übergreifen wird. Die chinesische Importnachfrage leidet bereits, da die Chinesen beginnen, ihre geschwundenen Sparreserven wieder aufzubauen. Ich sehe auch erste Hinweise auf eine Verlangsamung in Osteuropa, das ein Indikator für die chinesische Nachfrage ist, da ein Großteil der westeuropäischen Industrieproduktion in dieser Region konzentriert ist. Tatsächlich sehen wir auch in Deutschland erste Hinweise auf eine Konjunkturabschwächung. Aktuell ist schwer zu sagen, ob dies auf die erneute Zuspitzung der Coronakrise oder den Abschwung in China zurückzuführen ist. Anleger sollten das genau im Blick behalten.

 

Zinsstraffung in einen Abschwung hinein?

Mit Blick auf das Jahr 2022 sehe ich erheblichen Gegenwind für die Weltwirtschaft. Zum einen geht die Nachfrage aus China zurück, zum anderen lässt der Rückenwind durch die Fiskalpolitik und die aufgestaute Nachfrage, der die Wirtschaft seit der Pandemie gestützt hat, allmählich nach. Gleichzeitig stehen die Zentralbanken unter enormem Druck, ihre Geldpolitik zu normalisieren. Je länger die Inflationszahlen über dem Zielwert liegen, desto mehr nimmt dieser Druck zu.

 

Die jüngste Abflachung der Zinskurve in einigen Bereichen der Anleihenmärkte – durch steigende Zinsen am kurzen Ende und sinkende längerfristige Zinsen – sprechen für gedämpfte Wachstums- und Inflationsraten. In den USA deutet die anhaltend inverse Breakeven-Kurve (die längerfristigen Inflationserwartungen sind niedriger als die kurzfristigeren) ebenfalls darauf hin, dass die Inflation nicht längerfristig erhöht bleiben wird. Die Anleihenmärkte scheinen eine von China ausgehende Gefährdung der wirtschaftlichen Erholung zu wittern. Auch scheinen sie mögliche geldpolitische Fehlentscheidungen zu fürchten: Falls die Zentralbanken ihre Geldpolitik bei einem Inflationshöchststand und in einen Konjunkturabschwung hinein straffen sollten, könnten sie sich schon im kommenden Jahr wieder zu einer erneuten Lockerung gezwungen sehen.

 

Aus der Portfolioperspektive betrachtet bedeutet dies, dass die Staatsanleihenrenditen in Industrieländern wie Australien und den USA auf diesem Niveau attraktiv sind und mittelfristig wieder sinken können. Außerdem dienen diese Anleihen als guter Ballast – d.h. Kapitalschutz und Liquiditätsreserve – im Portfolio. Auf Basis fundamentaler Bottom-up-Kreditanalysen finde ich immer noch interessante Anlagemöglichkeiten an den Kreditmärkten. Allerdings fahre ich das Kreditrisiko zurück und bevorzuge Anleihen mit kürzeren Laufzeiten. Aufgrund der Situation in China sehe ich die Emerging Markets eher vorsichtig. Chinesische Staatsanleihen halte ich jedoch für interessant, da diese an Wert gewinnen dürften, wenn sich China letztlich gezwungen sieht, seine Politik zu lockern.

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