Im Zuge der Bemühungen der Zentralbanken um eine Eindämmung der grassierenden Inflation sind die Zinsen im zurückliegenden Jahr stark gestiegen. Dabei hat die US-Notenbank (Fed) deutlich schneller auf den Preisdruck reagiert als die Währungshüter in Europa.

Die Freisetzung der aufgestauten Nachfrage nach der Aufhebung der Corona-Beschränkungen sowie fiskalische und geldpolitische Maßnahmen zur Stärkung des Wachstums während der Pandemie hatten die Inflation in den USA angeheizt. Während Europa nach dem Einmarsch Russlands in der Ukraine mit hohen Energiepreisen zu kämpfen hatte, blieben die USA davon relativ verschont.

Durch die wiederholten Zinserhöhungen scheint die US-Wirtschaft inzwischen jedoch an Dynamik zu verlieren. Die Verschärfung der Kreditvergabestandards nach dem Zusammenbruch der Silicon Valley Bank, der Signature Bank und der First Republic Bank haben die Finanzierungsbedingungen ebenfalls verschärft.
USA versus Europa
Andererseits zeigen Indikatoren wie die Einkaufsmanagerindizes und die Arbeitsmarktdaten, dass die europäische Wirtschaft gut dasteht, unterstützt durch den Rückgang der Energiepreise. Der boomende Dienstleistungssektor heizt das Lohnwachstum an und bereitet den Währungshütern Kopfschmerzen in Bezug auf die Inflationsentwicklung. All das spricht dafür, dass der neutrale Zinssatz in Europa immer noch niedrig ist.

Während der US-Zinserhöhungszyklus sein Ende erreicht zu haben scheint, hat die Europäische Zentralbank (EZB) noch Nachholbedarf. Weitere Anhebungen der Zinsen von ihrem aktuell niedrigen Niveau aus erwarten wir auch in Großbritannien und, in geringerem Maße, in Japan.

Diese Divergenz ist eine Umkehrung dessen, was wir Anfang 2022 gesehen haben, als der Wachstumsoptimismus der US-Wirtschaft im Gegensatz zum Rest der Welt stand. Aufgrund der unterschiedlichen Erwartungen in den verschiedenen Regionen eröffnen sich an den Anleihenmärkten jetzt Chancen durch relative Bewertungsunterschiede. Der schwächere US-Dollar bringt diese unterschiedlichen Trends deutlich zum Ausdruck.
Das Dilemma der westlichen Industrieländer
In diesem Umfeld ist es auch wichtig, sich das allgemeine Umfeld vor Augen zu halten, mit dem wir es zu tun haben. Die gegenwärtige Periode unterscheidet sich deutlich von den Jahren vor der Pandemie, die durch einen Mangel an Nachfrage gekennzeichnet waren.

Die Pandemiejahre haben vielen westlichen Volkswirtschaften die Augen geöffnet, da die Lieferkettenstörungen die Verwundbarkeit einer globalisierten Welt deutlich gemacht haben. Gleichzeitig hat die veränderte geopolitische Lage infolge des russischen Einmarschs in der Ukraine und der schwelenden Spannungen zwischen den USA und China viele wirtschaftliche Annahmen ins Wanken gebracht.

Während die Corona-Pandemie die Fallstricke einer hohen Abhängigkeit von China für Warenlieferungen deutlich gemacht hat, haben die geopolitischen Verschiebungen zu Engpässen bei Ressourcen wie Öl und Gas geführt. Nach einer Phase relativer Entspanntheit nach dem Ende des Kalten Krieges hat die nationale Verteidigung für die westlichen Regierungen wieder höchste Priorität erlangt. Das veränderte Szenario bedeutet mehr Ausgaben für den Kapazitätsaufbau im Bereich der fossilen Energien sowie für die produzierende Industrie und den Verteidigungssektor.
Längerfristig höher?
Der private Konsum wird durch die anhaltend starke Beschäftigungssituation gestärkt, die sich in einem engen Arbeitsmarkt widerspiegelt. Wenn die Inflation zurückgeht, wird sich das auch positiv in den realen Einkommen niederschlagen.

Wir haben eine Situation, in der die Inflation aufgrund des knappen Angebots in einem von geringem Trendwachstum gekennzeichneten Umfeld viel leichter zustande kommt. In diesem Umfeld müssen sich die Zinsen weiter von der Nulllinie entfernen, an die wir uns in den zehn Jahren nach der globalen Finanzkrise gewöhnt hatten.

Ein schwaches Wachstum, hohe Zinsen und ein Übermaß an Schulden sind jedoch ein gefährlicher Mix, der Unfälle zur Folge haben kann. Die andauernden Turbulenzen im Bankensektor sind nur ein Beispiel dafür. Wir behalten auch den Gewerbeimmobiliensektor genau im Auge, um etwaige Krisensignale frühzeitig zu erkennen. Wir glauben, dass dieses unsichere Umfeld anhalten und zu einer erhöhten Volatilität des Wachstums und der Finanzmärkte führen wird.
Ansteckung begrenzt
Trotzdem rechnen wir nicht mit einer Neuauflage der Situation von 2008, da sich die Risiken in Grenzen zu halten scheinen. Es wird Problembereiche geben, die im Blick behalten werden sollten. Auch mit Ereignisrisiken und Zahlungsausfällen muss gerechnet werden. Wir erwarten jedoch, dass es sich um Einzelfälle handeln wird. Das macht eine sorgfältige Titelauswahl noch wichtiger und bedeutet, dass Zombie-Unternehmen vom Markt verschwinden dürften.

Die bonitätsstärksten europäischen Staatsanleihen haben sich seit November schlechter entwickelt als US-Treasuries, und dieser Trend scheint sich fortzusetzen, da die anhaltenden Sorgen über den US-Bankensektor die Zinssenkungen der Fed beschleunigen und die Zinskurven steiler werden lassen könnten. Der Rückgang der Aktienkurse regionaler Banken sowie der massive Abzug von Einlagen und ihre Wiederanlage in Geldmarktfonds oder bei Großbanken sind ein Warnsignal. In Europa könnten die Zinsen am kurzen Ende der Kurve noch weiter steigen: Der Markt hat weitere Zinserhöhungen von mindestens 75 Basispunkten eingepreist. Daher glauben wir, dass US-Anlagen in den nächsten Monaten erheblich attraktiver sein werden als europäische Investments.
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