Für Anleger waren die ersten Monate dieses Jahres hart. Ausverkäufe von Aktien oder Hochzinsanleihen gibt es immer mal wieder. In der Regel können Anleger in diesen Phasen aber vom Diversifikationsvorteil von „Safe Haven“-Anlagen profitieren. Phasen wie diese, in denen alle Anlageklassen – Staatsanleihen genauso wie Aktien – abverkauft werden, sind ungewöhnlich und besonders schmerzhaft für Anleger. In diesem Jahr hat außer Rohstoffanlagen fast nichts funktioniert.

 

Zu groß war die Panik über die höhere Inflation und den dadurch zunehmenden Druck auf die Zentralbanken, ihre Geldpolitik aggressiv zu straffen und so eine Wachstumsverlangsamung oder sogar Rezession zu riskieren. Dieses Umfeld war für die meisten Anleihenstrategien – einschließlich der unseren – schmerzhaft.

 

Wir sind mit der Erwartung in das Jahr 2022 gestartet, dass die Inflation in der ersten Jahreshälfte ihren Höhepunkt erreichen und danach wieder nachlassen würde. Doch dann führte der russische Einmarsch in die Ukraine zu einem weiteren Anstieg der Preise wichtiger Rohstoffe, mit Folgewirkungen entlang der Wertschöpfungskette bis hin zu den Nebenkostenrechnungen, Lebensmitteln und einer Vielzahl von Konsumgütern. Das hat den Rückgang der Inflation verzögert und zu einem unerwarteten Anstieg der Renditen geführt.

 

Es mag kontraintuitiv klingen – wir glauben jedoch, dass der derzeitige Anstieg letztlich zu einer noch stärkeren Umkehrbewegung bei den Renditen führen wird. 

Weniger Wachstum = weniger Inflation 

Zum Zeitpunkt des Schreibens dieses Artikels hat die Inflation in den USA gerade den höchsten Stand seit 1981 erreicht. Mehrere Frühindikatoren deuten jedoch auf eine starke Konjunkturabschwächung hin, die dazu führen wird, dass auch die Inflation wieder nachlässt.

 

Die Rezessionsrisiken sind in diesem Jahr erheblich gestiegen. Wir sehen das Rezessionsrisiko für die Weltwirtschaft jetzt bei deutlich über 50%. Durch den weltweiten Druck auf die Kaufkraft der Verbraucher durch höhere Energie- und Lebensmittelpreise ist das Verbrauchervertrauen in den USA auf den niedrigsten Stand seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1978 gesunken. Die inflationsbereinigten Reallöhne sind seit mehr als einem Jahr rückläufig. In den USA sind die 30-jährigen Hypothekenzinsen auf den höchsten Stand seit 2006 gestiegen. 1

 

Gleichzeitig sind die Finanzierungsbedingungen bereits deutlich restriktiver geworden: Der Dollar ist stärker, die Geldmenge ist stark geschrumpft, die weltweiten Zentralbanken haben die Zinsen angehoben (seit Februar 2021 sind weltweit fast 200 Zinserhöhungen durchgeführt worden), die Fiskalpolitik ist gestrafft worden und die US-Notenbank (Fed) schlägt weiterhin einen sehr restriktiven Ton an.

 

Für den Rest dieses Jahres und bis ins Jahr 2023 hinein rechnen wir mit einer Beschleunigung des Abschwungs und einem Nachlassen der Inflation, da die Preise ohne Wachstum nicht dauerhaft steigen können. Selbst während der Stagflation in den 1970er Jahren führte die Wachstumsverlangsamung dazu, dass die Inflation und die Renditen stark einbrachen. Letztlich wird das die Zentralbanken zu einem Kurswechsel und einer langsameren Straffung ihrer Geldpolitik veranlassen, was zu niedrigeren Renditen und einer Erholung von Zinsanlagen führen wird.

Der Rückgang der Inflation verzögert sich, wird aber nicht ausbleiben 

Trotz des überraschenden Anstiegs der Inflation im Mai gibt es bereits deutliche Anzeichen für einen nachlassenden Preisdruck. Hinter der anhaltend hohen Inflation stehen vor allem die Energiepreise, die im Mai weiter gestiegen sind. Die um Energie- und Lebensmittelpreise bereinigte Kerninflation scheint ihren Höhepunkt dagegen bereits erreicht zu haben.

 

Im Jahr 2020 zeigten sich erste Hinweise auf eine beginnende Erholung der Weltwirtschaft von der Pandemie an den Rohstoffmärkten, den Frühindikatoren der Reflation. Aktuell scheinen unter anderem die Preise für Agrarrohstoffe, Holz und Kupfer ihren Höchststand erreicht zu haben.

 

Durch den Krieg in Osteuropa lässt sich nicht sagen, wie sich die Energiepreise weiter entwickeln werden. Da der Ölpreis in diesem Jahr aber bereits um fast 60% gestiegen ist, dürfte der Beitrag der Energiepreise zur Inflation geringer werden. Die Lieferkettenprobleme, die für einen Großteil der höheren Inflation verantwortlich waren, werden sich von selbst lösen (zum Beispiel die Frachtschiff-Staus in US-Häfen). Dadurch und durch die geringere konjunkturelle Dynamik wird die Inflation wieder zurückgehen, möglicherweise sogar sehr schnell. Tatsächlich kann sich die Preissituation innerhalb sehr kurzer Zeit dramatisch verändern. Mitte 2008, im Vorfeld der weltweiten Finanzkrise, lag die Inflation bei fast 6% – im Juli 2009 herrschte bereits Deflation. 

Der Abschwung wird die Inflation bremsen … und den Zinsanstieg  

Während einige Kommentatoren Untergangsstimmung verbreiten, sehen wir dies eher als eine bemerkenswerte Einstiegschance an den Anleihenmärkten, wie wir sie wahrscheinlich seit der globalen Finanzkrise nicht mehr gesehen haben.

 

Die überraschend hohen Inflationszahlen im Mai führten zu einem erneuten Ausverkauf von Staatsanleihen, wodurch die Rendite der 10-jährigen US-Staatsanleihe auf den höchsten Stand seit 2011 stieg. Zum Zeitpunkt des Schreibens haben die Märkte Zinserhöhungen in Höhe von fast 3% bis Februar 2023 und einen Basiszinssatz von über 4% im Jahr 2023 eingepreist.2

 

Angesichts der Unbeständigkeit der Inflation, der sich abzeichnenden Konjunkturabschwächung und der erfolgten Rücknahme der Anleihenkäufe der Fed, deren Wirkung auf die Märkte erst noch zum Tragen kommen wird, halten wir die Marktreaktion nach wie vor für überzogen. Die Fed hat die Märkte auf eine aggressive Anhebung der Zinsen vorbereitet – wodurch das monetäre Umfeld bereits restriktiver wird. Wir halten es jedoch für sehr unwahrscheinlich, dass die US-Notenbank die Zinsen tatsächlich so stark anheben wird. Auf diesem Niveau erscheint die Duration in den entwickelten Märkten sehr attraktiv.

Duration jetzt attraktiv, Kreditanlagen – noch – nicht  

Was unsere Kreditallokationen angeht, bleiben wir relativ konservativ, da wir trotz der Volatilität im bisherigen Jahresverlauf nicht glauben, dass die Credit Spreads die erhöhten Rezessionsrisiken bereits vollständig abbilden. Unsere Strategie hat eine Neigung zu konservativen Sektoren, Kurzläufern und Anleihen von Emittenten in Sondersituationen, die resilienter gegenüber Wirtschaftsschocks sind.

Durch den Schwerpunkt am kurzen Ende der Kurve haben wir außerdem stets ausreichend Liquidität durch fällig werdende Anleihen, also genug „Dry Powder“, um stärker ins Risiko zu gehen, wenn die Rezessionsrisiken vollständiger eingepreist sind und Kreditanlagen wieder attraktiver werden. Wir bereiten uns auf ein Rezessionsumfeld an den Kreditmärkten vor, in dem aktive Manager, die in der Lage sind, die Unternehmen mit der höchsten Überlebens- und Erfolgswahrscheinlichkeit zu identifizieren, tendenziell den höchsten Mehrwert für Anleger generieren.  

1 Quelle, Bloomberg, 14/6/22.
2 Quelle, Bloomberg, 14/6/22

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